Franziska Keller (39) sitzt an ihrem Wohnzimmertisch in der Ecke. Durch das viele dunkle Holz, aus dem Decke, Wände und Boden bestehen, kommt eine Note von Chalet-Charme auf. Im Hintergrund hört man das Rauschen der jungen Maggia, die Luft fühlt sich rein an. Mit jedem Atemzug fühlt man, wie der Alltagsstress langsam kleiner wird. Doch Keller ist nicht in den Ferien. Die studierte Politologin arbeitet bei Meteo Schweiz und lebt hier in Fusio, einer kleinen, ehemals selbständigen Gemeinde in der hintersten Ecke des Maggiatals. Heute macht sie Homeoffice, erledigt ihre Arbeiten also von zu Hause aus.
Nach dem Rücktritt von Didier Burkhalter wird die anstehende Bundesratswahl auch im abgelegenen Fusio diskutiert. «Es würde uns hier sehr guttun, hätte der neue Bundesrat ein wenig mehr Verständnis für die besondere Rolle des Tessins unter den Grenzkantonen», sagt Keller. Das Tessin leide stärker als andere Kantone unter dem Druck aus dem Ausland und der daraus resultierenden schwierigeren wirtschaftlichen Ausgangslage, und ein Bundesrat, der selber aus diesem Gebiet komme, würde dem bestimmt auch mehr Rechnung tragen.
Aussen alt, innen neu
Es war der Wunsch nach dem Leben in und mit der Natur, den Keller nach Fusio getrieben hatte. Wenn sie von der entschleunigenden Wirkung spricht, die das 31-Seelen-Dorf auf seine Bewohner habe, glaubt man ihr das. Ihr Haus, ein aussen originalgetreu belassenes und innen sehr modern ausgestattetes Rustico, wurde vom Tessiner Architekten Giovan Luigi Dazio restauriert.
Dazios Augen beginnen zu leuchten, wenn er von Fusio spricht. Der 70-Jährige hat es sich zum Lebensziel gesetzt, das Dorf, wo er einen Grossteil seines Lebens verbracht hat, wieder mit mehr Leben zu erfüllen: «Wir haben dieses Dorf von unseren Vorfahren übernommen. Darum soll auch die nächste Generation hier noch Häuser vorfinden und keine Ruinen.» Das will er erreichen, indem er die alten Häuser restauriert und so dem aktuellen Zeitgeist anpasst. Auch Dazio ist der Meinung, dass dem Tessin ein Bundesrat, der auch aus der Region ist, guttun würde: «Wir brauchen einen Bundesrat mit Sensibilität und Energie.»
Von den einst über 500 Einwohnern sind heute nur noch rund 30 permanent in Fusio. Sie arbeiten grösstenteils im Dorf, zum Beispiel in der Landwirtschaft, in den zwei Hotels oder in der dorfeigenen Käserei. Ein grosser Teil des Dorfs steht momentan aber leer. Diese Häuser hat Dazio gekauft und restauriert sie nun, La Citadella, wie er sein Projekt nennt. Rund 50 Häuser hat er in der Region schon um- oder neu gebaut.
Entspannung und Mentalitätswechsel
Und in einem davon wohnt nun Franziska Keller. Sie wusste nicht genau, nach was sie gesucht hat, als sie nach Fusio gekommen ist: «Aber als ich das Haus hier sah, wusste ich: Das ist es!» Abgesehen von der entspannenden Wirkung der Umgebung hat sich seit ihrem Umzug einiges verändert. Sie habe gelernt, die Dinge auf sich zukommen zu lassen. Das gehe in Fusio gut, meint sie, denn bei den Einheimischen komme man nicht gut an, wenn man als Deutschschweizer herkomme und sofort alles verändern wolle. Trotzdem seien die Einwohner alles andere als verschlossen. Sie hätten mehr Angst vor der Abwanderung als vor Fremden. Darum sie sehr gut aufgenommen worden, jeder respektiere die Rolle des anderen und schaue zueinander.
Meistens fährt Keller nach Locarno ins Büro. Wenn sie aber von zu Hause aus arbeitet, verbindet sie sich via Mobilfunknetz mit dem Internet. Das werde aber besser, denn bis 2020 sollte die Swisscom das Gebiet mit Glasfaserkabel erschliessen. Damit wird schon vieles einfacher.