Darum gehts
- Neue Meeresverbindung zeigt Potenzial gegen schwer behandelbare Form von Blutkrebs
- Bryostatin-Derivat hemmt Lymphomzellen, ohne gesunde Zellen zu schädigen
- Über 400 Extrakte aus Meeresproben entlang der irischen Küste analysiert
Wissenschaftler der Universität Galway in Irland und des Instituts für Onkologische Forschung in Bellinzona im Kanton Tessin haben eine neue natürliche Verbindung aus irischen Meereslebewesen entdeckt, die Potenzial gegen eine schwer zu behandelnde Form von Blutkrebs aufweist. Das Team analysierte über 400 Extrakte aus Meeresproben, die entlang der irischen Küste gesammelt wurden. Darunter befand sich eine farbenprächtige Meeresschnecke namens Antiopella cristata, die sogenannte Bryostatine produziert. «Diese Moleküle sind von besonderem Interesse, da sie das Wachstum und Überleben von Krebszellen beeinflussen können», schreibt die Universita della Svizzera italiana (USI), zu der das Onkologie-Institut gehört, in einer Medienmitteilung.
Eine der identifizierten Verbindungen, ein bisher unbekanntes Bryostatin-Derivat, konnte das Wachstum von Lymphomzellen bereits in sehr niedrigen Konzentrationen hemmen, ohne gesunde Zellen zu schädigen. Erste Tests zeigten zudem, dass die Verbindung wichtige Prozesse in Tumorzellen beeinflusst, darunter solche, die mit Zellteilung und Überleben zusammenhängen.
«Neue Möglichkeiten für die Medizin»
Das diffuse grosszellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) ist die häufigste Form von Blutkrebs bei Erwachsenen. Patienten mit dem Subtyp des aktivierten diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphoms (ABC-DLBCL) sprechen oft schlecht auf die Standardchemotherapie an. Obwohl neue Behandlungsansätze wie zielgerichtete Antikörper und Zelltherapien die Prognose für einige Patienten verbessert haben, stehen vielen weiterhin nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
«Meeresorganismen haben im Laufe von Millionen von Jahren einzigartige chemische Verbindungen als Teil ihrer Überlebensstrategien entwickelt», erklärt Professor Olivier P. Thomas von der Universität Galway, einer der Hauptautoren der Studie, in der Medienmitteilung. «Diese Moleküle könnten neue Möglichkeiten für die Medizin eröffnen, insbesondere dort, wo die derzeitigen Behandlungsmethoden nicht ausreichen.»
Erstautor lobt internationale Zusammenarbeit
Professor Francesco Bertoni, stellvertretender Direktor des Onkologischen Forschungsinstituts, fügt hinzu: «Die Entdeckung dieses neuen Bryostatin-Analogons ist ein ermutigender Schritt. Das bedeutet zwar nicht, dass wir bereits ein neues Medikament haben, aber es ebnet den Weg für weitere Forschungen zu Behandlungen aggressiver Lymphome.»
Dr. Filippo Spriano, Postdoktorand an der Bellinzona und Erstautor der Studie, betonte: «Diese Studie zeigt, wie die internationale Zusammenarbeit zwischen Forschungsinstituten die Entdeckung vielversprechender Moleküle beschleunigen kann.»
Medikamente aus dem Meer werden bereits weltweit in Krankenhäusern eingesetzt. Beispiele hierfür sind Medikamente gegen Leukämie, Sarkome und sogar Antikörpertherapien, die auf marinen Verbindungen als Wirkstoffen basieren. Diese neue Entdeckung unterstreicht die Bedeutung der Erforschung der Ozeane als Quelle zukünftiger Therapien. Die Studie «Screening der irischen marinen Biobank identifiziert ein neues Bryostatin-Analogon als potenten Inhibitor des diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphoms aktivierter B-Zellen» wurde in der Fachzeitschrift «ChemBioChem» veröffentlicht.