Fussball-Chaot Samuel T. (24) steht heute vor Gericht
Staatsanwalt fordert 4 Jahre für Pyro-Teufel

Fussball-Chaot Samuel T.* (24) muss sich heute vor Gericht verantworten. Er schleuderte in Luzern Knall- und Rauchpetarden aufs Feld und verletzte einen Mann schwer. Der Staatsanwalt fordert nun 4 Jahre Freiheitsstrafe.
Publiziert: 08.08.2017 um 09:12 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:37 Uhr
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Samuel T. muss sich heute vor dem Bundesgericht in Bellinzona für die Wahnsinns-Aktion verantworten
Foto: Facebook
Myrte Müller und Lea Gnos

Samuel T.* (24) aus Herisau wird von seinem Umfeld als perfekter Schwiegersohn beschrieben. Doch der junge Mann hat zwei Gesichter: Im Februar 2016 beim Spiel des FC Luzern gegen den FC St. Gallen schmuggelt er mit einer Gruppe von Fussball-Chaoten Rauchkörper und Kreiselblitze ins Stadion.

Er und seine Kumpel werfen die Rauchtöpfe und Sprengkörper über den Zaun in den Zuschauertrakt.  Sie gehen durch die Kontrollen, sammeln anschliessend die Böller wieder ein. Kaum im Gastsektor C6 angelangt rollen die Risiko-Fans eine Choreo-Fahne aus. Eine Provokation! Es ist eine gezeichnete Witzfigur zu sehen, von hinten mit heruntergelassener Hose.

Die Ultras stecken am nackten Hintern einen Rauchtopf durch und lassen abbrennen. Über dem Männchen steht der Name Hodel. Es könnte eine Beleidigung sein gerichtet gegen den ehemaliger Sicherheitschef der Swissporarena.

Ein Zuschauer schwer verletzt

Samuel T., vollständig vermummt, mit schwarzer Sturmhaube geht an den mit Transparenten verhängten Abgrenzungszaun heran, wirft blind zwei Rauchkörper aufs Spielfeld. Während ein Steward mit der Gilet-Nummer 128 die Rauchbomben in einen Eimer befördert, wird das Spiel unterbrochen.

Einen Zuschauer (49) erwischt es brutal: Der Mann hört seit dem Match auf dem linken Ohr nur noch 10 Prozent, auf dem rechten noch 60 Prozent. Das Opfer besitzt ein Restaurant, das Arbeiten fällt ihm jetzt aber schwer: Wenn viele Gäste im selben Raum seien, müsse er den Raum verlassen. Seine Ohren pfeifen ständig. «Es hört sich Tausend Stimmen an, nur schwer zu ertragen», sagt er.

Dank Videoüberwachung wird der Pyro-Teufel Samuel T. schliesslich überführt. Er muss sich heute vor dem Bundesgericht in Bellinzona für die Wahnsinns-Aktion verantworten – erstmals nimmt sich die Bundesstaatsanwaltschaft einem Pyro-Vergehen an.

Auch ein zweites Verfahren hängig

Ganz brav sah T. heute vor Gericht aus. Den Bart akkurat gestutzt. Das Haar kurz. Mit Brille wirkte der Ultra des FC Sankt Gallen eher wie ein gepflegter Student. Aber: Den Staatsanwalt Hansjörg Stadler konnte T. Nicht täuschen. Die Videos von jenem Tag zeigen eindeutig, dass Samuel T. die Böller geworfen hat.

Stadler bezeichnete T.s Taten als hinterhältig und forderte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren sowie eine Busse von 500 Franken – wegen Mehrfacher Gefährdung durch Sprengkörper und giftige Gase in verbrecherischer Absicht, schwere Körperverletzung, mehrfache Sachbeschädigung und mehrfache Widerhandlung gegen das Sprengstoffgesetz.

Für den Bundesanwalt steht fest: Samuel T. wollte Menschen verletzen oder zumindest sei ihm das egal gewesen. «Er hat schwere Körperverletzung in Kauf genommen», so Stadler. Ausserdem habe der Angeklagte zusammen mit weiteren Mitgliedern der Szene einen grossen Aufwand betrieben, um die Pyrogegenstände in das Stadion zu schmuggeln.

Die Zürcher Verteidigerin von Samuel T., Manuela Schiller, fordert Freispruch für ihren Mandanten. Er habe weder in verbrecherischer Absicht mehrfach Menschen gefährdet noch jemanden verletzt. Nur eine leichte Sachbeschädigung liege vor, so Schiller. Nicht für den Brandschaden an der Jacke des Luzerner Fans Beat B., sondern allenfalls für den Schaden in Höhe von 800 Franken, den die Feuertöpfe auf dem Rasen verursacht haben. Die Summe habe Samuel T. bereits bezahlt.

Auch zweites Verfahren hängig

Gegen T. ist unterdessen ein weiteres Verfahren hängig, weil er am 1. August vergangenen Jahres illegale Sprengkörper gezündet hatte.

Die regionale Staatsanwaltschaft hat ihn dafür mit einem Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen und einer Busse von 1000 Franken verurteilt. Der Angeklagte hat diesen Entscheid angefochten, dieser ist also noch nicht rechtskräftig.

Nachbarn bezeichnen den Chaoten als zuvorkommend 

Ein Nachbar verteidigt den Chaoten gegenüber BLICK: «Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass der Sämi so etwas macht. Er ist sehr hilfsbereit, nahm mich mit dem Auto mit, als ich zu Fuss unterwegs war.»

Auch andere Nachbarn wissen nur Gutes über Samuel T. zu sagen. Aufgewachsen ist er in gutbürgerlichen Verhältnissen, nebenbei arbeitet er als Barkeeper in St. Gallen. Umso erschreckender, dass der gelernte Schreiner laut Anklage bei sich zu Hause 1651 illegale Pyros in Kartonschachteln im Schlafzimmer gelagert haben soll. 

*Name der Redaktion bekannt

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