Neue Vorschrift ärgert Jäger
«Mit Verlaub, der Regierungsrat hat keine Ahnung!»

Nach den blutigen Jagdunglücken stutzt der Tessiner Staatsrat Claudio Zali (58) die Rechte der Jäger im Südkanton – sehr zum Ärger ihres Verbandspräsidenten Fabio Regazzi (57).
Publiziert: 13.10.2019 um 19:42 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2019 um 20:19 Uhr
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Tessiner Jäger müssen während der Hochjagd mindestens 200 Meter Abstand zu Häusern, Strassen, Campingplätzen halten. Das entschied nun das Tessiner Baudepartement.
Foto: keystone-sda.ch
Myrte Müller

Der Jagdunfall sitzt den Tessinern noch immer in den Knochen: Mitte September erschoss ein Tessiner nahe Chiasso TI seinen besten Freund, weil er ihn mit einem Wildschwein verwechselt hatte (BLICK berichtete). Zwei Wochen zuvor hatte ein anderer Mann auf der Pirsch seinem Begleiter versehentlich in die Hand geschossen. Die Jagd werde zu gefährlich, entschied das kantonale Baudepartement – und schnürte kurzerhand ein Massnahmenpaket. 

So müssen Jäger fortan während der Hochjagd immer leuchtend orangefarbene Westen tragen. Auf den Ebenen nördlich von Bellinzona TI sowie der Riviera und im Bleniotal darf nur noch von 7 bis 9 Uhr geschossen werden und nicht mehr bis 14 Uhr. Und der Mindestabstand zu Häusern, Strassen, Campingplätzen usw. liegt nicht mehr bei nur 50 Metern, sondern muss 200 Meter betragen. 

«Massnahmen übereilt entschieden»

Letzteres geht den Tessiner Jägern zu weit. Das Tragen der Weste sei okay. Schliesslich sei das Wild farbenblind. Auch das neu vorgegebene Zeitfenster in gewissen Gebieten könne man akzeptieren. «Aber die geforderten 200 Meter Abstand gehen gar nicht. Sie sind nicht nur wirkungslos. Sie grenzen auch die Jagd unnötig ein», sagt Fabio Regazzi (57). 

Der CVP-Nationalrat und Präsident der Tessiner Jägervereinigung wettert weiter: «Diese Entscheidungen wurden von Lega-Staatsrat Claudio Zali (58) höchstpersönlich getroffen, ohne sie mit Fachleuten zu besprechen.» Der Direktor des Baudepartements sei selbst kein Jäger. «Mit Verlaub, Herr Zali hat keine Ahnung», sagt Regazzi weiter. Die Entscheidungen seien auch Hals über Kopf gefallen. 

200 Meter Abstand – das gab es schon einmal

Es gebe Jagdgebiete, in denen es kaum möglich sei, 200 Meter Abstand von irgendeiner Art Gebäude zu halten. Diese Gebiete gingen für die Jagd verloren. «Wir haben Rustici, die auch oft unbewohnt sind. Und dennoch dürfte in deren Nähe nicht geschossen werden», so der Jäger-Präsident weiter. «Das grenzt unsere Jagd enorm ein und es würde schwierig, den Bestand von Wildschweinen und Hirschen zu kontrollieren.» Zudem sei eine Distanz von 200 Metern für den Jäger viel schwerer einzuschätzen als 50 Meter. «Abgeschossene Patronen können eine Reichweite von einigen Kilometern haben. Da machen die 50 oder 200 Meter auch keinen Unterschied», sagt Fabio Regazzi. 

Als reine Scheinlösung bezeichnet Regazzi die Massnahme. Sie sei zudem auch gar nicht neu. «Sie war schon einmal in Kraft und wurde damals ausgerechnet vom kantonalen Amt für Fischerei und Jagd wieder abgeschafft.»

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