Mutter klagt nach Steinschlag gegen die Gemeinde Caslano TI
«Ich will 6,5 Mio für meinen behinderten Sohn»

Michael Sanchez Poletti (17) wurde Opfer eines Steinschlags und ist seit dem Unfall schwerstbehindert.
Publiziert: 11.10.2016 um 14:12 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 04:39 Uhr
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Manuela Poletti (56) zeigt den Unglücksort. Sie verlangt Schaden­ersatz.
Foto: Yvonne Leonardi
Myrte Müller (Text) und Yvonne Leonardi (Fotos)

Ein kurzer Moment ändert das Leben der ganzen Familie. Am 23. Februar 2014 wandert der damals 15-jährige Michael Poletti aus Massagno TI auf einer Tour am Monte Sassalto, einem Ausflugsgebiet mit Kletterwand. Der 1,90 Meter grosse Basketballspieler läuft einen Hang hinunter. Seine Kollegen folgen. Einer löst einen Steinschlag aus. Ein Brocken von gut einem halben Meter Durchmesser kommt ins Rollen. 

«Er traf meinen Sohn am ­Rücken», sagt Manuela Poletti (56). Michael stürzt zwanzig Meter in die Tiefe, fällt aufs ­Gesicht. «Er hatte schwere Schädelverletzungen und wurde in zwei Tagen dreimal operiert.»

Es folgen lange Wochen auf der Intensivstation und Monate in der Reha. Seitdem ist Michael schwerstbehindert. «Er ist an den Rollstuhl gefesselt, kann nicht sprechen, nicht richtig greifen», sagt seine Mutter. Ihren Job als Sekretärin gab sie auf, weil Michael rund um die Uhr betreut werden muss. Sein Bruder Stefano (32) zog wieder ins Haus, um mit anzupacken, und drei Pfleger wechseln sich im Turnus mit der Betreuung ab. Das alles kostet enorm viel Geld. 

«Ohne Hilfe privater Stiftungen und meiner Eltern könnten wir es gar nicht schaffen», sagt Manuela ­Poletti. Sie ist überzeugt, dass die Gemeinde Caslano schuld ist am Unglück und klagt auf 6,5 Millionen Franken Schadenersatz. Der Unfall passierte auf einem alten Wanderpfad unterhalb der Kletterwand. «Die Gemeinde wusste, dass die Gegend gefährlich ist», sagt die Mutter. «Sie gilt geologisch als rote Zone, hat aber keine Warnschilder. In Reiseführern wird das Ausflugsziel sogar noch angepriesen.» Und niemand habe je nach dem Befinden des Unfallopfers gefragt. Kein Brief, kein Anruf, kein ­Lösungsvorschlag.

Poletti hofft, dass die Versicherung der Gemeinde einlenkt: «Michael ist erst 17 und hat noch sein ganzes Leben vor sich. Ich werde eines Tages nicht mehr da sein. Wir müssen auch finanziell vorsorgen.»

Die Gemeinde Caslano weist jede Verantwortung von sich. «Was dem Burschen passiert ist, tut uns wirklich leid», sagt Gemeindepräsident Emilio Taiana (53). «Doch wir tragen keine Schuld daran.» Für ihn steht fest: Michael und seine Freunde waren nicht auf einem ausgewiesenen Wanderpfad unterwegs, sondern bewegten sich querfeldein. Auf eigene Gefahr.

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