Heute unbescholtener Bürger. Morgen Terrorist und gefährlicher Kindsentführer. Wie schnell man ins Fadenkreuz der Ermittler geraten kann, musste Angelo Turri (67) aus Agno TI erfahren.
Er und drei weitere Terroristen sollen die entführten Zwillinge Alessia und Livia Schepp (damals 6) aus St. Sulpice VD in seiner süditalienischen Ferien-Villa gefangen gehalten haben. Das «beichtete» ein anonymer Sünder einem Priester in Sion.
Dieser schrieb die «brisanten Informationen» in zwei Briefen nieder, gab sie über einen Anwalt an die italienische Polizei weiter. Turris Haus in Andretta I, Provinz Kampagnen, wird tagelang beobachtet und am 3. März 2011 von 15 schwer bewaffneten Beamten gestürmt.
«Ich wusste damals von nichts, war in Lugano, als das passierte. Erst anderthalb Jahre später bekam ich Einblick in die Akten - und war geschockt. Ich ein Terrorist? Ein Kidnapper? Unglaublich! Ich bin ein ehrlicher Mensch, habe mein Leben lang hart gearbeitet.»
Turri kämpft um Reinwaschung seines Namens
Angelo Turri kämpft nun seit Jahren um Reinwaschung seines Namens. Er will endlich entschädigt werden und wissen, wer hinter der Denunzierung steckt.
Die unglaubliche Geschichte des Luganeser Autohändlers landet der TV-Sendung «Chi l`ha visto?». Die italienische Version von «Aktenzeichen XY ungelöst» ist seit Jahren auf der Spur der vermissten Zwillinge, die Ende Januar 2011 vom Vater entführt und möglicherweise getötet wurden. Matthias Schepp (†43) warf sich wenige Tage darauf in Apulien I vor den Zug (Blick berichtete).
«Mir will jemand etwas Böses anhängen»
Die kleinen Mädchen aber wurden nie gefunden. «Wir gingen damals jedem Hinweis nach», sagt Vize-Polizeichef Rocco Rafaniello (42). «Die detaillierten Beschreibungen des Priesters aus Sion passten haargenau auf die Villa von Angelo Turri, ein Schweizer. Wir studierten die Grundrisse des Hauses, überlegten, wo die Zwillinge gefangen gehalten werden konnten. Wir fotografierten das Anwesen vom Helikopter aus, ehe wir zuschlugen. Doch wir fanden nichts.»
Angelo Turri: «Es gibt nur eine Villa im Ort, die auf die anonyme Beschreibung passt. Da ist jemand, der mich kennt, und mir Böses wünscht.» Der Tessiner will Klarheit. Doch Anwalt und Priester verweisen auf Amts- und Beichtgeheimnis.