Foto: Keystone

SVP-Richter schützte Eltern vor der Öffentlichkeit
Geheimprozess war unzulässig!

In einer Hauruck-Aktion schloss das Bezirksgericht Dietikon im September 2019 die Medien von einem Prozess aus. Es ging um ein Elternpaar, dem die Misshandlung ihres Sohnes (11) vorgeworfen wurde. Für das Zürcher Obergericht ist der Ausschluss aber unzulässig.
Publiziert: 14.07.2020 um 22:57 Uhr
Teilen
Kommentieren
1/7
Das Bezirksgericht Dietikon schloss im September 2019 die Medien von einem Prozess aus.
Foto: KEYSTONE
Viktor Dammann

Einzelrichter Benedikt Hofmann (49, SVP) liess wenige Minuten vor der Verhandlung den anwesenden Gerichtsreportern eine Verfügung aushändigen: Er schloss sie von der Teilnahme am Prozess aus. Seine Begründung: Die seelische Entwicklung des Buben könnte wegen der Berichterstattung Schaden nehmen (BLICK berichtete).

Hintergrund: Die Mutter des Jungen stand nicht nur wegen den Schlägen gegen ihr Kind vor Gericht, sondern sie hatte gegenüber seiner Lehrerin zusätzlich noch Todesdrohungen ausgestossen. Die Angeklagte war dafür 2017 mitten in den Unterricht geplatzt. Über den Eklat hatten verschiedene Medien (unter anderem der BLICK) berichtet.

Gegen den ungewöhnlichen Prozess-Rauswurf des Dietikoner Bezirksgerichts hatten die «Limmattaler Zeitung», die «NZZ», der «Tages-Anzeiger» und der BLICK eine Beschwerde beim Zürcher Obergericht erhoben – mit Erfolg.

Obergericht kritisiert Richter

Das Obergericht fand deutliche Worte: «Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der vollständige Ausschluss der Öffentlichkeit nicht verhältnismässig und damit unzulässig war.» Die Berichterstatter hätten unter Auflagen zum Prozess zugelassen werden müssen. Solche gibt es häufig. Beispielsweise verbieten Gerichte, das Opfer erkennbar zu machen. Für BLICK ist die Einhaltung solcher Vorgaben eine Selbstverständlichkeit.

Eine Woche nach dem Prozess, den der Einzelrichter hinter verschlossenen Türen führte, gab er sein Urteil bekannt. Welches zu neuen Fragen führte. So wurde der Vater vollumfänglich freigesprochen und erhielt sogar 22'800 Franken Entschädigung.

Auch die Staatsanwaltschaft ist unzufrieden

Die Staatsanwaltschaft hat vorsorglich Berufung angemeldet und wartet die schriftliche Urteilsbegründung ab. Immerhin: Das Bezirksgericht Dietikon hat inzwischen den Entscheid des Obergerichts über die Unzulässigkeit des Ausschlusses akzeptiert.

Übrigens ist das Dietikoner Gericht nicht gerade als pressefreundlich bekannt. Im Gegensatz zu allen anderen Gerichten im Kanton Zürich müssen Anklageschriften persönlich abgeholt werden. Eine reine Schikane.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?