Susanna Strebel (54) über den Tod ihrer Tochter Sabrina
«Ich fahre mit ihrem Lieblingsteddy in die Ferien»

Wie erleben Eltern den plötzlichen Tod eines Kindes? Susanna Strebel (54) hat vor acht Jahren ihre Tochter Sabrina (21) bei einem Unfall verloren. Die Mutter erzählt, wie sie noch heute mit dem Verlust kämpft.
Publiziert: 23.08.2019 um 22:15 Uhr
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Susanna Strebel hat vor acht Jahren ihre Tochter Sabrina (†21) bei einem Unfall verloren. Die Mutter kämpft noch heute mit dem Verlust.
Foto: zvg
Alexandra Fitz

«Ich habe Auf und Abs. Man trägt den Tod eines Kindes ein Leben lang mit. Ich bin heute nicht mehr die, die ich einmal war. Ich brauche Trauerzeiten, habe Launen und falle immer wieder in ein Loch. Wenn neue Betroffene in die Selbsthilfegruppe kommen, wühlt das alles wieder auf. Ich fühle mit, kenne jede Phase, die die Eltern durchmachen. Über das tote Kind sprechen, das kann nicht jeder. Aber ich wollte meinen Schmerz teilen. Ich musste wissen, dass ich nicht alleine bin, und bin bald nach dem Unfall von Sabrina in eine Selbsthilfegruppe des Vereins Regenbogen Schweiz eingetreten. Seit drei Jahren leite ich die Gruppe in Frauenfeld. 

Es ist tragisch, wenn ein Kind vor den Eltern gehen muss. Für Aussenstehende ist das unvorstellbar. Man kann mit ihnen auch nicht lange darüber sprechen, irgendwann können sie es nicht mehr hören und wechseln schnell das Thema. Ich habe drei, vier Freundinnen, bei denen ich den Namen meiner Tochter erwähnen kann. 

«Seit fünf Jahren bin ich in psychologischer Behandlung»

Am Anfang dachte ich, dass ich es ohne professionelle Hilfe schaffe. Aber es ging nicht. Ich habe nicht mehr geschlafen, viel gearbeitet. Irgendwann war ich am Anschlag. Der Hausarzt sagte zu mir: «Du brauchst Hilfe.» Seit fünf Jahren bin ich in psychologischer Behandlung und mache eine Traumatherapie.

Der Tod eines Kindes ist sehr belastend für die Partnerschaft. Mein Partner, mit dem ich seit 24 Jahren zusammenlebe und der meine Tochter grossgezogen hat, gab mir viel Kraft. Schwer war es für meinen Sohn. Er blieb lange Zeit auf der Strecke. Ich habe ihn oft vergessen. Er ist 2½ Jahre älter und war damals schon ausgezogen. Er kam lange nicht zu uns, weil ihn alles an seine Schwester erinnerte. Die Fotos, die brennenden Kerzen. Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht ohne das existieren kann, dass er das akzeptieren muss. Heute haben wir wieder eine gute Beziehung. 

Es gibt keinen Rat für Eltern

Die Fotos sind immer noch da. Ich sage meiner Tochter jeden Tag «Guten Morgen» und «Gute Nacht». Einmal die Woche gehe ich auf den Friedhof. In den Ferien zündet eine Freundin von mir die Kerzen auf dem Grab an. Ihr Foto und ihr Lieblingsteddy kommen mit in die Ferien. Anders geht es nicht. Aber der Drang ist nicht mehr so wie am Anfang. Das ist einerseits befreiend, aber wenn ein paar Tage vergehen, und ich keine Zeit dafür hatte, habe ich ein schlimmes Gefühl.

Meine Tochter verstarb bei einem Zugunfall an meinem Geburtstag. Sabrina, damals 21, lief am frühen Morgen dem Gleis entlang nach Hause. Sie hatte Kopfhörer auf und hörte den Schnellzug nicht. Ich erfuhr erst fünf Stunden später davon. Ich hatte das Haus voller Leute, als es an der Tür läutete. Ich dachte, es wäre Besuch, aber es war die Polizei. 

Eltern, die ihr Kind verlieren, kann ich keinen Rat geben. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Dem Umfeld aber: Es soll da sein, zuhören, die Betroffenen in den Arm nehmen. Oft braucht es keine Worte. Die Eltern müssen trauern können. Gefühle und Tränen müssen raus. Auch wenn es mitten am Tag ist. Es muss raus. Sonst überlebt man das nicht.»

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