Darum gehts
Der Lenz ist da. Wie das wieder blüht und duftet in den Gärten des Landes, die von März über April und Mai eine stattliche Bandbreite hübscher Zierpflanzen präsentieren.
Im April blüht zum Beispiel die Rosenprimel. Kleine, rosa Blüten an drahtigen Stielen. Zauberhaft. Von März bis Mai: die Kaukasus-Schneerose mit buschigem Blumenbild, ein Halbschattengewächs. Hobbygärtnerinnen lieben solche Details.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Die Schweiz ist ein Land von Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern. Laut einer Umfrage werkeln zwei Drittel der Bevölkerung regelmässig im Dreck mit dem Ziel, dem hektischen Alltag zu entfliehen. Mal wieder mit den Händen arbeiten. Mal wieder etwas spüren. Es gibt ein schönes Zitat des britischen Schriftstellers Alfred Austin, er sagte: «Einen Garten zu pflegen, bedeutet, nicht nur den Körper, sondern auch die Seele zu ernähren.»
Klingt gut. Doch wer die Zeitung aufschlägt, liest Folgendes:
- Nachbarschaftsstreit eskaliert – wegen Gartenschlauch mit Gewehr gedroht («Blick», 2024)
- Aargauer Nachbarn streiten sich vor Gericht um Gartenpflanzen («Blue News», 2024)
- Involvierter Nachbar zum Hochbeet-Streit: «Es geht um mehr» (Kath.ch, 2025)
- Fast jeder dritte Schweizer hatte schon Streit mit Nachbarn («Blick», 2024)
- «Halt d’Schnurre»: Nachbarsstreit füllt 700 Seiten Gerichtsakten («20 Minuten», 2024)
Gemessen an solchen Nachrichten sind Gärten vor allem eines: Brandherde sozialer Unruhe. Trotzdem hält sich hartnäckig das Klischee von der kleinen grünen Ruheinsel, wo Herr und Frau Schweizerin wie die Kinderbuchfiguren Pettersson und Findus zwischen den Tulpen sitzen und Maikäfer zählen.
Privatgärten bedecken in der Schweiz 46’000 Hektar Land. Es gibt also, um es mit dem Slogan eines grossen Verkäufers zu sagen, «immer was zu tun». 5000 Gartenbaubetriebe generieren eine Bruttowertschöpfung von 4,6 Milliarden Franken. Yippie-ja-ja, yippie-yippie-yeah!
Lawn and Order
Wo gearbeitet wird, da entsteht Reibung. Wer wüsste das besser als Gartenbesitzerinnen selbst? Daniela ist eine von ihnen. Sie steht im Untergeschoss einer Gartenmesse und erzählt von einem Nachbarn, der sich ein Gartenhaus im eigenen Garten zimmerte.
«Leider haben Siebenschläfer die ganze Styroporisolation aus dem Dach gefressen», sagt sie. «Die weissen Kügelchen lagen dann fein säuberlich verteilt bei uns drüben im Gras.»
Problemlage Nachbar. Was tun? «Ich hätte das Ganze sachlich angesprochen», sagt Daniela. «Aber mein Mann tickt da anders. Er hat sich einen Stapel Styropor besorgt und ihn dem Nachbarn in den Briefkasten gestopft.»
Wenn Gartencenter die Kirchen der Kleingärtner sind, dann sind Gartenmessen ihre Kathedralen. Die Giardina in der Messe Zürich ist eine von ihnen. Es gibt hier alles, wirklich alles zu sehen. Elektrische Baumschneider, Poolroboter. Ein Verkäufer prahlt mit «Fräslanzen im Turbomodus», während im Hintergrund falsche Amseln aus Lautsprechern fiepen.
Hier trifft sich – wie man anhand der Preisklasse für Whirlpools und Springbrunnen erkennt – die gehobene Liga der Privatgärtner. Doch wie man hört, schützt Umschwung nicht vor Problemen. Schattenwurf über dem Pool. Kampfgriller als Nachbarn. «Bei denen von nebenan wird im Mai angeheizt, und dann brennt der Sauhund durchgehend bis im Oktober», schimpft ein Mann mit Gummistiefeln in Lederoptik.
Gegenfrage, genau hier, genau jetzt und bitte möglichst konkret: Wie kommt man aus dieser offenen Kampfzone namens Garten unbeschadet heraus?
«So», sagt die Künstlerin Yael Teitler vor einem knalligen Blumengemälde. Sie schliesst die Augen, atmet tief ein und zählt laut. «Eins, zwei, drei, vier.» Sie öffnet die Augen und antwortet mit ruhigem Tonfall: «Du bist sauer? Das ist dein Problem. Und nicht meins.»
MediaSlot: ImageContainer #ImageDann sagt Teitler noch einen Satz, den man einrahmen und über den Loungetisch hängen könnte: «Streit entsteht ja nur dann, wenn sich Konflikte mit Gefühlen begegnen.»
Unterschiedliche Lebensentwürfe
Diese Analyse erscheint mit Blick auf die Konfliktzone Garten besonders richtig. Denn viele Messebesucherinnen erzählen, wenn man genau zuhört, nicht von Meinungsunterschieden über den Schnitt von Hecken, Büschen und Ästen. Sondern von unterschiedlichen Lebensentwürfen.
Zum Beispiel Theres und Urs. «Unser Nachbar stutzt seinen Rasen mit der Nagelschere», sagt Theres. So sei der drauf, sagt Urs und malt mit den Händen kleine Quadrate in die Luft. Ein Gartenbeamter. «Der plant seine Blumenbeete mit der Excel-Tabelle.»
Unterschiedliche Lebensentwürfe prallen auch beim Vortrag eines Naturgärtners im zweiten Stock aufeinander. Diversität spielt hier eine Rolle und der Umgang mit wilden Pflanzen. «Wir sagen nicht Jäten, das ist ein seltsames Wort für uns Naturgärtner. Wir sprechen von Beikrautregulierung.» Da steht ein Ehepaar mit Daunenjacke auf und verlässt den Vortrag. «Chabis!», zischt er beim Hinausgehen.
Manche Konflikte lassen sich mit Durchatmen nicht lösen. Dann müssen Vermittler her. Damit jedoch die Amtsgerichte nicht mit vergleichsweise harmlosen Streitereien verstopft werden, gibt es in der Schweiz zuerst einen Termin bei der Friedensrichterin oder einem Vermittler, so will es die Zivilprozessordnung. Offenbar ein Erfolgsmodell: «Zwei Drittel aller Verhandlungen enden mit einem Vergleich», sagt Hans-Peter Kasper vom Schweizerischen Verband der Friedensrichter und Vermittler.
Was braucht man, um Friedensrichter zu werden? «Gesunden Menschenverstand. Interesse an der Welt. Ob Coiffeur oder Koch: Im Prinzip kann jede und jeder Friedensrichter werden», sagt Kasper. Vier von fünf Verbandsmitgliedern seien keine Juristen.
Blickpanzer im grünen Gewand
Zurück auf der Messe stechen an mehreren Ständen Streitverhinderungsmassnahmen ins Auge. Sichtschutzwände, getarnt als Pflanzenteppiche. Schlingpflanzen, dicht wie ein Brett. Interessant ist, dass diese offensichtlichen Blicksperren mit schönen Wörtern rhetorisch getarnt werden.
Da steht, dieser geflochtene Sichtschutz sei «visuell ansprechend». Er diene dem «Wohlbefinden» und habe «isolierende Eigenschaften». So schlägt sich die Branche mit sanften Vokabeln ins semantische Dickicht – dabei weiss hier jeder, was damit gemeint ist: «Glotz mir nicht auf die Terrasse, du Freizeitvoyeur!»
Sollte sich dennoch ein Streit anbahnen, dann hat Stephan, Grillmeister der Weber Grill Academy, ein paar Tipps parat: «Einladen. Grill anschmeissen. Zusammen was anbraten.» Sein Motto: «Vorbeugen ist besser als Heilen.»
Er sei ein ehrlicher Typ, sagt Stephan. Er verkauft Kundinnen keinen Holzkohlegrill, wenn die nur einen Balkon im Mehrfamilienhaus, aber keinen Garten haben. «Wegen des Rauchs ist Streit vorprogrammiert.» In der Grill Academy, wo sich pro Jahr 1500 Hobbygriller ausbilden lassen, höre er diese Frage immer wieder: Was hilft, wenn mir jemand in die Beef Briskets dreinredet?
«GFK», sagt Stephan. Gewaltfreie Kommunikation. Und dann einfach wieder den Deckel drauf. Damit die Hitze drinbleibt.