«Ich bin von den Schweizer Behörden enttäuscht»
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Corona-Virus legt alles lahm:«Ich bin von den Schweizer Behörden enttäuscht»

Solothurner sitzt wegen Corona in China fest
«Ich bin von den Schweizer Behörden enttäuscht»

Rolf S. (71) sitzt im südchinesischen Sanya fest. Wegen des Coronavirus' ist die Stadt im Ausnahmezustand. Er will dem Paradies entfliehen, doch das ist gar nicht so einfach.
Publiziert: 23.02.2020 um 00:21 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2020 um 11:15 Uhr
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Der Solothurner Rolf S.* lebt seit Jahren über die Wintermonate in Sanya. Ohne Schutzmaske kann er nicht mehr aus dem Haus.
Foto: zvg
Valentin Rubin

Laut Auskunft des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sind in China rund 3500 Schweizer gemeldet – von den Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus sind alle betroffen.

Einer von ihnen ist Rolf S.* (71). Der Solothurner hat früher lange in China gearbeitet, seit Jahren verbringt er die Wintermonate in der südchinesischen Ferienstadt Sanya auf der Insel Hainan. 200 Meter von seiner Wohnung befindet sich ein 30 Kilometer langer Sandstrand. Von Ferien sei aber derzeit so gut wie nichts zu spüren, sagt S. Obwohl er keine Corona-Symptome hat, will er zurück in die Schweiz. Die Rückreise ist aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. SonntagsBlick erreicht ihn per Videoanruf.

«Fast jeder Schritt wird registriert»

«Ich bin im November nach San­ya gereist, wie jedes Jahr. Das Klima hier tut mir gut. Doch seit dem chinesischen Neujahr hat sich die Lage stark verändert. Viele Chinesen sind aus der Krisenregion in der Provinz Hubei in den warmen Süden gekommen – und mit ihnen das Coronavirus. Überall sind Polizisten und das Militär. Alles wird kontrolliert und reguliert. Ich habe einen Durchgangspass erhalten. Ohne den kann ich mich nicht mehr fortbewegen – fast jeder Schritt wird registriert.

Zwar liegt Sanya 2000 Kilometer von der Stadt Wuhan entfernt, doch auch hier gab es Tote. Bisher sind fast 200 Krankheitsfälle gemeldet, die Ansteckungsrate ist aber zurückgegangen. Die Massnahmen sind hart, zeigen aber langsam Wirkung. Dennoch versuche ich, mich von anderen Menschen fernzuhalten.

Ich bewege mich kaum noch ausserhalb des Hauses. Meine Siedlung darf ich nur alle zwei Tage einmal zum Einkaufen verlassen. Beim Eingang zum Markt wartet eine Horde Beamter auf mich. Ich muss bei einem Arzt Fieber messen, ein Polizist und ein Soldat kontrollieren meinen Pass. Alle Eingänge sind bewacht. Wer ohne Gesichtsmaske unterwegs ist, wird sofort zurück nach Hause geschickt.

«Ich komme mir vor, wie in einem Horrorfilm»

Das Leben ist fast zum Stillstand gekommen. Die Strassen sind leer, der Flugbetrieb des nahen Flugplatzes war zwischenzeitlich eingestellt. Ich komme mir vor wie in ­einem Horrorfilm.

Seit 35 Jahren komme ich nach Sanya. Nun will ich aber weg. Viermal habe ich schon einen Flug zurück in die Schweiz gebucht und bezahlt. Jedes Mal wurde der Flug kurzfristig storniert. Mein Geld habe ich nie zurückbekommen.

Ich bat das EDA um Hilfe, doch man sagte mir, ich solle mir selbstständig einen Flug heraussuchen und abreisen. Aber die Reisebüros in Europa sind alle hoffnungslos überfordert. Ich bin von den Schweizer Behörden enttäuscht. Ich hoffe jetzt aber, dass mein fünfter Ausreiseversuch Ende März erfolgreich sein wird. Der Flug ist gebucht, und ich bin zuversichtlich. Ich nehme fast all meine Sachen mit, lasse so wenig wie möglich zurück. Meinen Elektroscooter verkaufe ich sicher. Ich kann ja nicht sagen, ob und wann ich in dieses Paradies zurückkehren kann.»

*Name bekannt

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