«Soldaten, bitte aufstehen und Platz machen!»
Armee ist hässig auf die SBB

In einem vollen Zug forderte ein Kondukteur Armeeangehörige auf, zahlenden Passagieren Platz zu machen. Die Armee hat kein Verständnis für dieses Vorgehen.
Publiziert: 30.03.2017 um 17:35 Uhr
|
Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:59 Uhr
Armeeangehörige in der Bahn: Sind sie auch hier im Dienst der Bevölkerung oder ganz normale Passagiere?
Foto: Petra Orosz
Roman Rey

Montagmorgen: Der Intercity von Genf nach Bern ist rappelvoll. Da ertönt über den Lautsprecher die Durchsage: «Inhaber eines SBB-Mitarbeiter-GAs und Armeeangehörige mit Marschbefehl: Bitte geben Sie Ihre Plätze zahlenden Passagieren frei.» In der ersten Klasse fordert ein Kondukteur zudem einen Offizier auf, seinen Sitzplatz einem anderen Pendler zu überlassen.

Armeeoffizier Simon Hostettler (35): «Bin schockiert über das diskriminierende Verhalten.»

Eine Frechheit, findet der Waadtländer Armeeoffizier Simon Hostettler (35). «Ich bin schockiert über dieses diskriminierende Verhalten gegenüber Menschen, die ihre Zeit und Energie für die Zivilbevölkerung hergeben», schreibt er in einem öffentlichen Facebook-Post. Hostettler war am Montag in Zivil im Intercity unterwegs und wurde Zeuge der Szene in der ersten Klasse und der Lautsprecherdurchsage.

«Armeeangehörige sind wie normale Passagiere zu behandeln»

«Ich habe nichts gegen die SBB», sagt Hostettler zu BLICK. «Aber das Verhalten des Kondukteurs war in diesem Fall nicht in Ordnung.» Als er den Kontrolleur darauf ansprach, habe dieser die Aktion wie folgt begründet: Normale Pendler zahlten im Gegensatz zu Armeeangehörigen 7000 Franken für ein GA.

Hostettler hofft auf eine Entschuldigung der SBB. Doch diese verteidigen auf Facebook das Vorgehen des Kondukteurs. In einem zweiten Kommentar heisst es, er solle sich beim Kundendienst melden, damit der Vorfall geprüft werden könne.

Die SBB nehmen den Kontrolleur in Schutz. «Es gibt keine spezifischen Vorschriften für solche Fälle», sagt Sprecher Jean-Philippe Schmidt zu «20 Minutes». In dem konkreten Fall habe der Kondukteur den jungen und gesunden Armeeangehörigen wohl zugemutet, einen Teil der Fahrt stehend zu verbringen.

Das Militär sieht es anders. «Armeeangehörige sollten für ältere und gebrechliche Menschen aufstehen, wie alle anderen auch», sagt Armeesprecher Daniel Reist zu BLICK. «Ansonsten sind sie ganz normale Passagiere und so sollten sie auch behandelt werden.» Manchmal hätten die Armeeangehörigen einen Sitzplatz nötiger als andere: «Sie haben vielleicht sogar grössere körperliche Belastungen hinter sich, sind todmüde und froh, sitzen zu können.»

«Die Züge sind überall voll, das liegt nicht an uns»

Beschwerden von Passagieren, die sich durch Armeeangehörige gestört fühlen, gebe es selten, so Reist. Höchstens wenn sie sich danebenbenehmen oder mit ihrem Gepäck die Sitzplätze verstopfen. Die SBB bekommen allerdings nach eigenen Angaben keine Beschwerden von Pendlern über Armeeangehörige in Zügen.

Von Forderungen, die Armee solle Soldaten und Rekruten zu Randzeiten ein- und ausrücken lassen, um die Züge in Stosszeiten zu entlasten, hält Reist nichts. «Die Züge sind überall voll, das liegt nicht an uns», so der Sprecher. Man könne doch Rekruten nicht am Freitag um elf Uhr gehen lassen, nur damit sie in leeren Zügen fahren können. «Sie dürfen gehen, wenn ihre Arbeit erledigt ist.»

Auch wenn Angehörige der Armee ihre Zugfahrten nicht selber bezahlen, lässt die SBB sie nicht gratis fahren. Das Departement für Verteidigung zahlte dem Transportunternehmen im letzten Jahr 47 Millionen Franken dafür. Je nach Dienstgrad erlaubt der Marschbefehl Fahrten in der zweiten oder ersten Klasse.

Auf Facebook hat Simon Hostettler vorwiegend positive Reaktionen bekommen. Einige User stellten sich aber auf die Seite der SBB. Ein Argument, das mehrmals genannt wurde: Armeeangehörige seien im Dienst der Bevölkerung und sollen deshalb für andere Passagiere aufstehen.

Wie sehen Sie das? Wurden die Armeeangehörigen vom Kontrolleur unfair behandelt? Oder kann man von ihnen erwarten, Platz zu machen? Haben Sie selber schon Erfahrungen mit Soldaten und Rekruten in Zügen gemacht? Lassen Sie es uns in der Kommentarspalte wissen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?