Wissen Sie, was das bedeutet: Wm? Nv du? Lw! Sie denken an Weltmeisterschaft und Lastwagen? Falsch! Das sind die Codes der Neuzeit, die Sprache der Jugend: «Was machsch?» – «Nid viu, du?» – «Längwilig!»
Lisa (11) geht in Wichtrach BE in die 6. Klasse und hat für ihre Gschpänli eine Liste mit Chat-Abkürzungen gemacht. Schliesslich muss es beim Nachrichtentippen schnell gehen. «Ich darf bis 21 Uhr am Handy sein. Wenn es 20.45 Uhr ist, will ich keine Zeit verlieren mit langen Wörtern», sagt Lisas Klassenkamerad Florian (12). Er habe die Abkürzungen «intensiv gelernt» und noch eine hinzugefügt: Gsg – Gib scho gas.
Lisa und Florian sind Teil der mobil vernetzten Jugend. Einer Jugend, die fast immer online ist und sich über alles und nichts austauscht.
Die James-Studie, welche die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zusammen mit der Swisscom vorgestern veröffentlich hat, zeigt: 97 Prozent der Schweizer Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren besitzen ein Smartphone. Vor vier Jahren war es knapp die Hälfte.
89 Prozent sind bei mindestens einem sozialen Netzwerk angemeldet. Facebook liegt zwar noch vorne, verliert in der Schweiz aber weiter an Boden. Von den 12- bis 13-Jährigen haben nur noch 59 Prozent ein Profil bei Facebook, aber schon 82 Prozent eines beim Fotonetzwerk Instagram.
In der Klasse 6A in Wichtrach ist derzeit aber etwas anderes angesagt: Kik, ein Nachrichtendienst, der nach eigenen Angaben weltweit 150 Millionen Nutzer hat. «Hesch Kik?», hätten sie ihre Klassenkameraden gefragt, erzählt Hannah (11). «Ich fühlte mich als Aussenseiterin, weil ich noch nicht drauf war und deshalb vieles nicht mitkriegte.» Jetzt ist sie dabei. Auch im Klassen-Chat, wo sie sich über Hausaufgaben austauschen. Aber, die Mädchen lachen verschmitzt, noch mehr über Dinge wie Whhg – Was hesch hütte gmacht?
Die Studie What’s up Switzerland der Universitäten Bern, Zürich und Neuenburg zeigt: 89 Prozent aller Chats sind in Mundart verfasst. Auch Hannah, Florian und Lisa schreiben Bärndütsch. «Ausser ich muss etwas wirklich Ernstes fragen, dann schreibe ich Hochdeutsch», sagt Lisa.
Ihre Mobiltelefone dürfen die jungen Wichtracher zwar nicht ins Klassenzimmer nehmen, die Chats haben dennoch Einfluss auf die Schule: «Ich sehe in Aufsätzen, dass sie keine Anführungszeichen mehr verwenden für die direkte Rede», sagt Lehrerin Jessica Tresch (30). Diese sind in Chats wegen der grafischen Sprechblasen unnötig. «Und sie haben grössere Mühe mit der Gross- und Kleinschreibung, weil in Chats meist alles klein geschrieben wird.»
Auch die Klasse 2F der Fachmaturitätsschule Basel hat einen Klassen-Chat, «!We are 2F!». Alle 21 Schüler nutzen den Chatdienst Whatsapp und Instagram, nur noch 17 sind bei Facebook. «Das ist langweilig geworden, da sehe ich am Morgen nichts Neues, weil es die Leute nicht mehr wirklich nutzen», sagt Selina (17). Anders sei es auf Instagram, findet ihr Banknachbar Philip (16), da sei immer was los: «Dank der Fotos auf Insta weiss ich, wo sich meine Feunde rumtreiben.»
Beide chatten mit ihren Kollegen vor allem auf Whatsapp. Sogar Selinas Grosseltern nutzen die App. Viele haben Chatgruppen mit ihren Familien. «Das macht das Abmachen viel einfacher, weil alle immer die gleichen Informationen haben», sagt Lea (21). Statt etwas zu schreiben, verschickt sie oft Sprachnachrichten. «Etwas schriftlich zu erklären, ist oft megaumständlich. Gesprochene Nachrichten sind schneller und genauer.»
Tamara (16) und Leo (17) sind sich einig, dass sie in einem Jahr nur noch Whatsapp nutzen werden. «Schliesslich nutzt man das Netzwerk, auf dem die meisten Freunde sind. Also das, auf dem man am meisten mitkriegt», sagt Leo.
Und dort sagt man nicht «Tschüss» zum Abschied sondern: «Off».