Um 10.20 Uhr am 16. Februar stürmen Beamte der Sondereinheit Basilisk ein Mehrfamilienhaus in der Basler Innenstadt. Im dritten Stock brechen sie eine hölzerne Wohnungstür auf. Sie sind auf der Suche nach dem 27-fachen Vergewaltiger Markus Wenger (55), der hier seit August 2011 lebt. Seine Nachbarn wissen bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass sie Tür an Tür mit einem gefährlichen Triebtäter leben.
Mona B.* (49) will gerade mit ihrem Hund Gassi gehen, als sie von den Beamten zurück in die Wohnung gedrängt wird. «Mir war sofort klar, dass es sich um etwas Ernstes handeln muss», sagt die alleinerziehende Mutter. «Es wimmelte nur so von Polizisten.»
Nachbarinnen wussten von nichts
Doch Wenger ist nicht zu Hause. 40 Minuten später steigt er seelenruhig an der Tramhaltestelle vor seinem Haus aus und wird sofort von Beamten der Spezialeinheit überwältigt.
Erst Tage nach der mysteriösen Verhaftung erfahren die Bewohner des Mehrfamilienhauses aus der Zeitung, wer ein halbes Jahr ihr Nachbar war. «Ich bin geschockt gewesen, als ich davon gelesen habe», sagt Mona B. «Ich habe am ganzen Körper gezittert. Wieso hat die Polizei uns nicht informiert, dass ein verwahrter Vergewaltiger in unser Haus zieht? Hier wohnen vier alleinstehende Frauen, darunter zwei Studentinnen. Das ist unverantwortlich.»
Markus Wenger fällt vom ersten Tag an im Haus auf. «Er hat immer wieder bei mir geklingelt. Hat sich mit ‹Marco› vorgestellt und wollte angeblich Zucker, Mehl oder sonst etwas», sagt Mona B. «Er war so schleimig-freundlich. Er hat mir Angst gemacht.»
«Ich hätte sein nächstes Opfer sein können»
Deswegen nimmt Mona B. auch nicht an, als Wenger sie eines Abends zum Fondue-Essen in seine Wohnung einlädt. «Ich hätte sein nächstes Opfer sein können. Mir läuft es immer noch kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke.»
Und auch Ayten C.* (31) wird von Wenger beobachtet. «Ich wohne im Erdgeschoss. Er hat öfter durchs Fenster geschaut. Wenn mein Freund nicht zu Hause war, hat er geläutet, weil er angeblich etwas brauchte», sagt sie.
Bei Cristina L.* (28) wird Wenger noch aufdringlicher. «Er hat mich auf der Treppe verfolgt, ist immer ganz nah hinter mir gegangen, sodass er mich fast berührt hat. Ich habe richtig Angst vor ihm», sagt die Hausfrau. «Immer wenn mein Mann im Militär war, klingelte er. Ich habe angefangen zu lügen und behauptet, mein Mann würde schlafen. Auch wenn er gar nicht da war.»
An Frauenkontakt mangelte es Wenger in seiner freien Verwahrung nicht. «Er hatte fast jeden Abend Damenbesuch. Meistens kam er so um 22 Uhr mit jungen Frauen nach Hause. Sie hatten dann bis spät in die Nacht Sex», weiss Mona B., die unter Wenger wohnt. «Es war so laut, dass ich oft nicht schlafen konnte. Nur am Tag vor seiner Verhaftung war es ruhiger. Bis ich eine Frau schreien hörte.»
Genauso geschockt, wie Wengers Nachbarinnen, ist die Hausverwaltung. «Herr Wenger wurde von dem vorherigen Mieter als Untermieter für ein Jahr vorgeschlagen», sagt Cyril Welti, Mitinhaber der Immosense AG. Er hätte sich gewünscht, dass die Polizei ihn über Wenger informiert hätte. «Ein Serienvergewaltiger im Haus ist inakzeptabel. Das hätte ich meinen Mieterinnen nie zugemutet.»