Sex-Überfall auf Ferienlager
Wars auch der Chloroform-Unhold?

FIESCH VS – Urs B.* (58) – ist er der schlimmsteSerien-Vergewaltiger der Schweiz? In drei Kantonen laufen Ermittlungen gegen den Laien-Schauspieler.
Publiziert: 10.10.2007 um 23:51 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:01 Uhr
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Von Ralph Donghi, Beat Michel und Lukas Füglister

Sein liebstes Hobby war die Schauspielerei. Urs B., Metallbauschlosser, produzierte sich gerne bei Dorftheatern. Mal gab er einen König, mal einen Landammann. «Er machte seine Sache gut», sagt Regisseur Peter Voellmy (51).

Doch B. hat auch ein anderes «Hobby». Er ist der «Chloroform-Unhold». In Dutzende Häuser stieg der
schmächtige Berner ein, betäubte schlafende Mädchen und verging sich an ihnen. Zurzeit ermittelt die Polizei in drei Kantonen gegen ihn.

«Er ist teilweise geständig», sagt der Lausanner Untersuchungsrichter Jean-Pierre Chatton. «Er gibt zu, dass er in die Zimmer eingestiegen ist und Narkosemittel eingesetzt hat. Sexuelle Handlungen streitet er ab.»

Die Waadtländer Behörden werfen B. vor, im März 2000 ins Nobel-Internat «Aiglon Collège» eingedrungen zu sein und im Schlafsaal drei Mädchen missbraucht zu haben.

Jahrelang blieb das Verbrechen ungeklärt. Bis Urs B. vor fünf Wochen in Olten die KV-Stiftin Tanja W.* (18) belästigte. Ihr Vater, der ehemalige Oltner Hockeyspieler Otto W.* (42), stellte den Unhold (im BLICK).

Die Polizei nahm ihn fest. Hielt ihn erst für einen Voyeur. Erst B.s biologischer Fingerabdruck überführte ihn dann der Tat im Nobel-Internat.

Auch eine Serie von sexuellen Übergriffen im Wallis scheint auf das Konto von Urs B. zu gehen. Mitte der 90er-Jahre wurden im Feriendorf Fiesch immer wieder Schülerinnen überfallen. Auch hier drang der Täter nachts in die Zimmer der Mädchen ein und betäubte sie.

«Die Fälle sind sehr ähnlich. Wir wollen den Mann befragen», sagt Jean-Marie Born, Sprecher der Kapo Wallis.

Auffällig: Urs B. hat seit 1990 ein Ferienhaus in Binn – nur wenige Kilometer von Fiesch. Ausserdem beschrieb eine Zeugin damals den Sextäter als «klein, mit einer Glatze, er ging irgendwie komisch».

Diese Beschreibung passt eindeutig auf Urs B. Die Polizei hat sowohl das Ferienhaus in Binn durchsucht
wie auch seine Wohnung in Trimbach SO. Dort lebte er mit seiner Frau.

In Trimbach ist man schockiert, dass vermutlich einer der
schlimmsten Serienvergewaltiger der Schweiz unerkannt in der Nachbarschaft lebte. «Er war doch
ein angenehmer Kerl», sagt Vermieter Walter S. (58).

Das dachte auch sein ehemaliger Arbeitgeber. «Er war ordentlich und pünktlich», sagte dieser in seiner
Zeugenaussage. Das war im Januar 1981. Damals stand Urs B. vor dem Aargauer Bezirksgericht. Er war der Polizei ins Netz gegangen, nachdem er innert Monaten 55 Mal mit Chloroform bewaffnet in die
Zimmer von Mädchen eingestiegen war – und mindestens fünf Mädchen vergewaltigte.

Angefangen hatte die unheimliche Verbrechensserie des Chloroform-Unholds in Hitzkirch LU. Dort stieg er in die Zimmer von Schülerinnen des Lehrer-Seminars ein.
Immer wieder.

Die jungen Frauen hatten Angst, verrammelten ihre Türen und Fenster, schliefen nur noch zu zweit. Am Tatort liess der Unhold stets mit Chloroform getränkte
Wattebäusche zurück.

Erst als er von einem Turnlehrer fast gestellt wurde, verlegte B. sein Aktionsgebiet in den Aargau. Dort schlägt er 55 Mal zu.

«Das war einer der gravierendsten Fälle, die wir jemals zu beurteilten hatten», sagte der Gerichtspräsident damals. «Ich hoffe, er bleibt einzig in seiner Art.»

Er täuschte sich offenbar.

*Namen der Redaktion bekannt

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