Selbstmord wegen Matura-Panne
Jetzt spricht der Vater von Paul

Paul W. nahm sich das Leben, weil er meinte, die Matur verpatzt zu haben. Dabei war dies bloss eine Internet-Panne. Der Vater spricht nun über die Tragödie.
Publiziert: 05.07.2012 um 09:30 Uhr
|
Aktualisiert: 04.10.2018 um 17:43 Uhr
1/2
Paul W. († 19) mit seiner Freundin Mara (20). Sie gab BLICK dieses Foto.
Foto: ZVG
Von Beat Michel

Heute muss Alain W.* (50) seinen Sohn Paul († 19) zu Grabe tragen. Der Handelsmaturand an der École professionnelle de Lausanne hat sich das Leben genommen. Weil er glauben musste, er habe die Matura­prüfung nicht bestanden (BLICK berichtete). Dabei war es nur ein Fehler im Internet.

Das Drama schockt die Schweiz. Jetzt spricht der Vater, Werbefachmann aus Belmont-sur-Lausanne, im BLICK: «Paul war ein fröhlicher Junge. Er hatte keine Persönlichkeitsstörung. Er war weder trübsinnig noch depressiv. Wieso musste das passieren?», so Alain W. fassungslos.

Passiert ist es, weil Pauls Name nicht auf der im Internet veröffentlichten Liste der er­folgreichen Maturaabsolventen stand. Er wurde vergessen!

Vater: Der Lehrer hat korrekt und nett geantwortet

Alain W. erzählt: «Es war ein Fehler, dass mein Sohn nicht auf der Liste stand. Aber er hat am Freitag noch ein E-Mail an seinen Lehrer geschickt, um nachzufragen.» Der Lehrer habe korrekt und nett geantwortet, so der ­Vater. Paul solle nicht in Panik ausbrechen und sich bis Montag gedulden. Da würden die Resultate offiziell bekannt gegeben.

Alain W. ringt um Fassung. «Nur, als der Lehrer die E-Mail-Antwort abgeschickt hatte, war mein Sohn schon tot. Er konnte nicht zwei Stunden lang warten. Dabei hätte er doch wissen müssen, dass man ­E-Mails nicht immer gleich liest und beantwortet.»

Fragen über Fragen quälen den Vater, der gerade sein Kind verloren hat. «Wieso konnte er die Antwort des Lehrers nicht abwarten? Und wieso hat Paul nicht an sich geglaubt?»

«Paul hat in der Schule hart gearbeitet. Und seine Prüfungsresultate waren dementsprechend nicht schlecht. Eigentlich war Paul recht selbstbewusst, was das Prüfungsresultat anbelangt», sagt Alain W., «nur ein leichter Zweifel war da, weil er in den Sprachen etwas Schwierigkeiten hatte. Dafür hatte er in Mathematik sogar eine 6.»

Die Unsicherheit erträgt er nicht

Trotzdem bricht für Paul, der neben der Schule in einer Baufirma arbeitet, die Welt ­zusammen. Die Unsicherheit, versagt zu haben, erträgt er nicht. Alain W.: «Wir mussten Paul nie motivieren zu lernen. Er machte sich selber am meisten Druck. Darum richtete sich wohl seine Wut gegen sich selbst. Und nicht gegen uns oder einen seiner Lehrer.»

Muss der Tod von Paul keine Konsequenzen haben? Der ­Vater: «Wir müssen uns jetzt  fragen, ob es richtig ist, die ­Resultate übers Internet zu verschicken. Es ist vielleicht gefährlich, die jungen Menschen mit den Resultaten allein zu lassen. Wieso kann man nicht die Schüler, die die Prüfung nicht geschafft haben, vorher telefonisch kontaktieren?»

Auch Pauls Freundin Mara L.* (20) ist fassungslos: «Ich kann nicht darüber sprechen, sonst muss ich durchgehend weinen.»

* Namen der Redaktion bekannt

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?