Selbst Freunde kritisieren den Ankara-Auftritt
Blocher in der Türkenfalle

Publiziert: 08.10.2006 um 22:56 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 00:31 Uhr
Von Simon Spengler
BERN – Bundesrat Christoph Blocher (65) brachte seine Kritik am Anti-Rassismus-Gesetz ausgerechnet in der Türkei vor. Das stösst selbst bei Freunden auf Kritik. Jetzt sitzt der SVP-Bundesrat in der Türkenfalle.

Blochers Breitseite gegen das verhasste Anti-Rassismus-Gesetz (ARG) stösst bei der politischen Rechten auf breiten Beifall. Nicht nur in der SVP, sondern auch in der FDP. Aber selbst Blochers Parteifreunden bereitet die Wahl des Ortes für die Kritik einige Bauchschmerzen. Dass Blocher das Schweizer Gesetz ausgerechnet in der Türkei torpedierte, einem Land, das nicht gerade als Musterbeispiel für Menschenrechte gilt, kommt auch bei Blocher-Freunden nicht gut an.

«Ich bin auch der Meinung, dass das Gesetz revidiert werden muss. Die Türkei ist aber sicher nicht der passende Ort für diese Diskussion», sagt SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner (52). Er ergänzt: «Das war nicht sehr sensibel.» Selbst SVP-Chef Ueli Maurer erklärte bereits am Donnerstag, er sei «nicht glücklich», dass Blocher einen innenpolitischen Plan «vom Ausland aus ankündigt».

FDP-Nationalrat Georges Theiler hatte schon 2004 mit drei weiteren FDP-Politikern eine Motion unterzeichnet, welche die Abschaffung des Anti-Rassismus-Gesetzes forderte. «Dazu stehe ich», sagt Theiler heute, «das Gesetz führt nur zu neuen Problemen, nicht zu Lösungen.» Aber auch er will den Türken-Schmusekurs Blochers nicht mitmachen: «Die Wahl des Ortes war ungeschickt», sagt Theiler. Nur ARG-Gegner Filippo Leutenegger (53) hat damit kein Problem: «Das ARG wird als politische Waffe missbraucht, deshalb muss es geändert werden. Wo Blocher das sagt, ist egal.» Aber er gibt zu: «Diese Frage soll der Bundesrat diskutieren.»

Diskutieren muss dieser wohl auch die aussenpolitischen Folgen. Laut «NZZ am Sonntag» warnen Diplomaten bereits vor Problemen mit Armenien. Denn durch Blochers einseitige Pro-Türkei-Politik habe er die Schweizer Neutralität verletzt.

Völkermord
an den christlichen Armeniern. Dazu kam es, als die Türken einen Nationalstaat schufen. Bei den Massakern und auf den Todesmärschen 1915–1917 sowie während des Türkischen Befreiungskrieges 1919–1921 starben bis zu 1,5 Millionen Armenier.
an den christlichen Armeniern. Dazu kam es, als die Türken einen Nationalstaat schufen. Bei den Massakern und auf den Todesmärschen 1915–1917 sowie während des Türkischen Befreiungskrieges 1919–1921 starben bis zu 1,5 Millionen Armenier.
Der Fall
Am Mittwoch verkündete Bundesrat Christoph Blocher in der Türkei, das Antirassismus-Gesetz mache ihm «Bauchschmerzen». Gleichzeitig nahm er zwei Türken in Schutz, die wegen Leugnung des Völkermords an den Armeniern in der Schweiz angeklagt sind. Für Bundesrat Pascal Couchepin ist dieses Vorgehen «schockierend».

Bundespräsident Moritz Leuenberger kündigte an, den Fall an der nächsten Sitzung des Bundesrates zu traktandieren.
Am Mittwoch verkündete Bundesrat Christoph Blocher in der Türkei, das Antirassismus-Gesetz mache ihm «Bauchschmerzen». Gleichzeitig nahm er zwei Türken in Schutz, die wegen Leugnung des Völkermords an den Armeniern in der Schweiz angeklagt sind. Für Bundesrat Pascal Couchepin ist dieses Vorgehen «schockierend».

Bundespräsident Moritz Leuenberger kündigte an, den Fall an der nächsten Sitzung des Bundesrates zu traktandieren.
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