Secondos in der Armee
«Glauben Sie, dass die Soldaten Ihnen gehorchen?»

Wie erlebt ein Secondo den Dienst in unserer Armee? Wir bekamen überraschende Antworten.
Publiziert: 14.01.2014 um 21:46 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2018 um 16:15 Uhr
Kann das gutgehen - Secondos in der Armee?
Foto: Keystone
Von Michael Scharenberg

Wie verhalten sich Secondos in unserer Armee? Sind sie zuverlässig? Könnte es sein, dass der Wehrdienst einer besseren Integration hilft?  Das untersucht die Militärakademie an der ETH Zürich derzeit in einer gross angelegten Studie.

Wir fragten nach. Goran Šmitran (35). Wurzeln in Ex-Jugoslawien. In seiner Berufskarriere Versicherungsbroker mit internationalen Kunden. Und hat er auch gedient? Ja. Und wie! Heute ist Šmitran Major. «Ich bin im Stab einer Brigade», ergänzt er. «Ja, auch ich habe Diskrimierung erlebt», sagt Šmitran zu blick.ch. Aber nur im Beruf. So habe man auch schon mal sein Dossier in den Papierkorb geworfen. Nur wegen seinem Namen.

«Aber», sagt Šmitran, «im Militär habe ich so etwas nie erlebt! In der Schweizer Armee herrscht Chancengleichheit für alle.»

Es könnte sein, dass man als Träger eines fremd tönenden Namens sich am Anfang etwas mehr anstrengen müsse. Aber damit habe er keine Mühe. In der Offiziersausbildung dann spiele das alles sowieso keine Rolle. «Hier habe ich nur die besten Kameraden angetroffen», sagt Šmitran zu blick.ch. Grossartige Kollegen. Bereit, das Beste zu geben. «Die Soldaten brauchen ein klar definiertes Ziel. Dann sind sie motiviert und leistungswillig, unabhängig von ihrer Herkunft.»

«Glauben Sie wirklich, dass die Soldaten Ihnen gehorchen?»

Anders sieht das der 20 Jahre ältere Dr. Yahya Hassan Bajwa (53). Als er in den 80er-Jahren seinen Militärdienst leistete, sagt er zu blick.ch, habe es noch nicht viele Secondos in der Armee gegeben. Für ihn, den schweizerisch-pakistanischen Doppelbürger und heute Grünen-Politiker, sei weniger der Unterschied bei Rekruten mit oder ohne Migrationshintergrund aufgefallen. «Grösser waren die Unterschiede zwischen Deutschschweizern, Tessinern und Welschen», sagt Bajwa.

Trotzdem habe er selber in der Armee deutliche Diskriminierung erfahren. Bajwa: «Zum ersten Mal überhaupt bin ich offen abgelehnt worden. Wegen meiner braunen Hautfarbe und wegen meiner Religion.» Ein Instruktor habe ihn gefragt: «Glauben Sie wirklich, dass die Soldaten Ihnen gehorchen würden?»

Im Zivilleben sei er mit so direkter Ablehnung nicht konfrontiert worden. Ihn habe das gezwungen, sich mit seiner Identität auseinanderzusetzen, und das habe ihm geholfen, sich in der Gesellschaft anzupassen.

«Seine ganze Familie ist überdurchschnittlich stolz, dass er nun ein Soldat ist», sagt der Leiter der ETH-Studie, Tibor Szvircsev Tresch, über einen türkischstämmigen Sekondo-Rekruten. «Das kann ich gut nachvollziehen», sagt Bajwa. «Denn der Armee dienen, das bedeutet für viele Secondos: Jetzt bin ich wirklich ein Schweizer.»

Integration durchs Militär

Studienleiter Tresch hat denn auch festgestellt, dass sich junge Männer mit Migrationshintergrund nach dem Militärdienst als integrierter wahrnehmen.

Dem kann Ivica Petrusic (36) voll zustimmen. Der aus Ex-Jugoslawien stammende Kantonalzürcher Jugendbeauftragte sagt zu blick.ch, für den Militärdienst sei er selber zu alt gewesen. Und fügt an: «Ich erlebe es aber immer wieder, dass es der Integration dient, wenn man in wichtigen Institutionen mitmachen darf.»

Tvrtko Brzovic (32), Vorständler bei der Organisation Second@s Plus mit kroatischen Wurzeln, sagt zu blick.ch, es sei bei der Armee wie mit dem Fussball: «Dadurch, dass man mitmachen darf, dass man Verantwortung übernehmen darf, gewinnt man Ankennung.» Das steigere die Motivation, sich zu integrieren. Bei der Wohnungssuche etwa würden Secondos Diskriminierung erleben. In der Armee sei das anders. Da sei jeder vor allem ein Kamerad, fügt Brzovic an.

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