Schon im Alten Testament gibt es eine Geschichte über Zwillinge. Es ist die von Esau und Jakob, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Der eine mutig, der andere ängstlich. Bei Florian und Sebastian Rückel ist das anders. Die eineiigen Zwillinge teilen alles – sogar den Job. Für den mussten die Brüder sich unter anderem auch mit der Geschichte von Esau und Jakob befassen: Die 33-Jährigen sind beide reformierte Pfarrer.
Im August haben sie ihre Stellen in Bremgarten AG und Baden AG angetreten. Für die Zwillinge eine echte Umstellung – bisher haben sie immer zusammen gewohnt. «Nur einmal waren wir für sechs Monate getrennt, weil wir Praktika in Brasilien und New York gemacht haben», sagt Florian Rückel. Statt knapp 8000 liegen jetzt aber immerhin nur 18,4 Kilometer zwischen den Brüdern.
Aufgewachsen sind die Rückels in Bamberg (D) – katholisch. Klosterschüler, Ministranten, Sternsinger: Glaube und Kirche ziehen sich durch ihre Jugend. Nach der Matura im Jahr 2003 machen die Zwillinge ein soziales Jahr als Ersatz für den Militärdienst nach Brasilien, arbeiten dort für ein Strassenkinderprojekt der Diözese. «In der Zeit haben wir gemerkt, dass wir ein Doppelstudium machen wollen: Nämlich Theologie und Politikwissenschaften.»
Während ihres Studiums verbringen die Brüder ein Erasmusjahr in Zürich, nach den Abschlüssen an der LMU in München zieht es sie wieder in die Schweiz. Zweieinhalb Jahre arbeiten die beiden in Schweizer Gemeinden als Pastoralassistenten. Doch nach und nach kommen ihnen Zweifel an der katholischen Kirche. «Katholische Priester wollten wir nicht werden. Damals haben wir schon eng mit den reformierten Kollegen zusammengearbeitet, so die reformierte Kirche besser kennen gelernt und gemerkt, dass es dort viel mehr Freiheiten gibt», sagen die Zwillinge.
Die Entscheidung fällt ihnen nicht leicht, doch schliesslich 2014 wagen sie den Schritt. «Wir haben es nie bereut. Als reformierter Pfarrer arbeitet man in allen Bereichen, für die man im Theologiestudium und im Vikariat vorbereitet wurde.»
Dass an manchen Sonntagen nur wenige Leute den Gottesdienst besuchen, stört sie nicht. «Der Beruf geht weit über die Predigten und Gottesdienste hinaus. Unter der Woche haben wir z. B. Konfirmandenunterricht, besuchen Menschen zu Hause im Spital oder Wohnheimen, widmen uns den sozialen Projekten in den Kirchgemeinden, sind zu Seelsorgegesprächen da, bereiten Taufen oder Hochzeiten vor und spenden im Trauerfall Trost.»
Für Sebastian die spannendste Aufgabe: «Beerdigungen mache ich am liebsten. Da erlebe ich Menschen sehr intensiv und gerade für die Angehörigen ist es wichtig, dass man für sie da ist und ihnen viel Aufmerksamkeit schenkt und einen würdevollen Abschied ermöglicht. »
Florian hat eine andere Vorliebe. «Ich finde Hochzeiten am schönsten. Die Freude von zwei Leuten mit zu erleben, ist immer etwas ganz Besonderes», sagt er. Das ist dann aber auch das einzige, bei dem die eineiigen Zwillinge sich ausnahmsweise nicht ganz einig sind. «In Baden und Bremgarten sind wir jetzt ganz neu und wenn sich jemand ein Bild von Gemeinsamkeiten und Unterschieden machen will, dann gilt: Einfach einmal vorbeischauen: Wir freuen uns über neugierige Kirchenbesucher immer!»