Der Weg zum Job in einer Anwaltskanzlei ist lang und steinig. Jus-Studenten verbringen Jahre damit, die unterschiedlichsten Gesetzbücher zu wälzen und sich auf die verzwicktesten Rechtsfälle vorzubereiten. Doch das tun sie offenbar immer schlechter. Wie die «Sonntagszeitung» berichtet, fürchten Schweizer Anwälte um die Qualität ihrer Nachfolger.
«Die Durchfallquote hat zugenommen»
«Das Niveau der Jus-Studienabgänger ist gesunken», sagt Sergio Giacomini, Präsident des Schweizer Anwaltsverbandes. Als Grund für den Missstand sieht er die an den Unis vorgenommenen Umstrukturierungen des Studiums im Zuge der Bologna-Reform. «Seit der Bologna-Reform werden im Jus-Studium offenbar die Grundlagenfächer vernachlässigt.»
Konkret heisst das: Den zukünftigen Juristen fehlt es an Kenntnissen in Fächern wie Obligationenrecht (OR), Verwaltungsrecht oder dem Zivilgesetzbuch (ZGB). Unter Anwälten sei dies ein ständiges Thema. Mehrere Kantonalverbände würden sich deshalb immer wieder beschweren, so Giacomini.
Eine direkte Folge dieser Krise bei der Jus-Ausbildung spricht Danièle Wüthrich-Meyer, Präsidentin der Berner Anwaltsprüfungskommission, an: «Die Durchfallquote bei den Anwaltsprüfungen hat zugenommen.»
Entscheidend für Anwälte sei eine solide Ausbildung in Kernfächern wie OR, ZGB und Steuerrecht. «Die ist heute nicht mehr gewährleistet», sagt Wüthrich-Meyer.
«Da müssen sich die Anwälte selber hinterfragen»
Bei der Universität in Bern lässt man die Kritik der Anwalts-Branche nicht gelten. Peter V. Kunz ist Dekan an der Berner Rechtsfakultät. Er sagt: «Die Anwaltsverbände fordern, dass Studenten an der Universität bereits zu angehenden Anwälten ausgebildet werden. Unsere Aufgabe ist es aber, die juristischen Grundlagen zu vermitteln.»
Den Grund für die hohe Durchfallquote bei der Anwaltsprüfung sieht Kunz woanders. Wer die Prüfung absolviert, habe anderthalb Jahre in einer Kanzlei gearbeitet. «Da müssen sich die Anwälte selber hinterfragen, ob sie die Studienabgänger optimal vorbereiten. Einige missbrauchen Absolventen als billige Arbeitskräfte», sagt Kunz in der «Sonntagszeitung».
Ein weiteres Problem seien gemäss Kunz die Deutschkenntnisse der angehenden Anwälte. Viele hätten demnach Mühe mit dem sprachlichen Ausdruck. «Da müsste man aber bereits an den Gymnasien ansetzen.» (cat)