Freitagmorgen im Basler Gymnasium Kirschgarten. Die 17 Jungs der Klasse 3C haben mit ihrer Lehrerin Marianne Hazenkamp (44) zwei Stunden Chemie. Klassen, in denen nur männliche Schüler sitzen, sagt die Pädagogin, seien meist lauter als gemischte. «Deshalb muss man sie strenger in ihre Schranken weisen.»
An Schweizer Schulen vollzieht sich eine stille Revolution: Wurden Buben und Mädchen jahrzehntelang – mit Ausnahme des Sports – nach dem Prinzip der Koedukation unterrichtet, trennt man die Schüler jetzt wieder in vielen Fächern.
Denn neue Studien belegen: Mädchen und Buben lernen besser, wenn sie unter sich sind.
Einige Forscher gehen sogar davon aus, dass die Mädchen im koedukativen System benachteiligt werden, da Lehrer den Buben mehr Aufmerksamkeit schenken.
Sogar bei manchen Kleinen wird Geschlechtertrennung neuerdings grossgeschrieben: In Zürich gibt es bereits in der Primarschule getrennte Lektionen. Beat W. Zemp (59), Präsident des Lehrerverbands: «Geschlechtergetrennter Abteilungsunterricht in einzelnen Fächern und für einzelne Module ist an Schweizer Schulen neu und wird noch wenig praktiziert.»
Den Mädchen stinkts
Vorreiter beim getrennten Unterricht ist das Basler Gymnasium Bäumlihof. Wenn sie das Gefühl haben, dass es das Lernen fördert, dürfen Lehrer ihre Klassen für eine bestimmte Zeit nach Geschlechtern getrennt unterrichten. «Mädchen sind sorgfältiger und weniger wagemutig. Sie lassen sich von den Buben einschüchtern», sagt Rektorin Anna-Katharina Schmid (55).
Getrennt unterrichten die Lehrer ihre Schüler bisher in Fächern wie Physik und Chemie. Ein Versuch der Schule, mehr Mädchen für die bisher ungeliebten Disziplinen Naturwissenschaft und Technik (Natech) zu begeistern.
Ähnlich in Zürich. «Im Rahmen des Natech-Projekts gibt es Überlegungen, die Geschlechter systematischer getrennt zu unterrichten», sagt der Präsident der kantonalen Schulleiterkonferenz, Cornel Jacquemart.
Zurück ans Basler Gymnasium Kirschgarten. Die Buben im Klassenzimmer stört es nicht, dass sie unter sich sind, im Gegenteil. «Ohne Mädchen gibt es in der Klasse weniger Grüppchen – und dadurch viel weniger Zickereien», sagt Fabian Jüngling (16).
«Wir haben es viel lockerer zusammen», bestätigt Pradeep Kadavil (16). Ganz möchten die Jungs das andere Geschlecht jedoch nicht missen. «Wer in seiner Freizeit keine Mädchen trifft, lernt nicht, wie man richtig mit ihnen umgehen soll», sagt Aga Osman (16).
Überraschend anders tönt es bei den Mädchen des Kirschgarten-Gymnasiums. Sie sind von der Geschlechtertrennung überhaupt nicht begeistert. «Zwar sind die Jungs manchmal kindisch. Ohne sie gäbe es aber viel mehr Zickereien», sind sich Roxanne Vine (18) und ihre Freundinnen einig.
Unterstützung bekommen sie von dem bekannten Kinderarzt und Buchautor Remo Largo (70), der getrennte Klassen schlicht für überflüssig hält. «Um eine umfassende Chancengerechtigkeit zu schaffen, würde Geschlechtertrennung konsequent umgesetzt bedeuten: Nicht nur geschlechtergetrennte Schulen, sondern auch geschlechtergetrennte Gesellschaft und Wirtschaft.»
Früher unterrichtete man Mädchen und Buben in getrennten Klassen und mit unterschiedlichen Lehrplänen: Handarbeit, Hauswirtschaft und Religion für die Mädchen; Mathe, Latein und Naturwissenschaften für die Buben. Die Frauenbewegung kämpfte dafür, dass Mädchen in Bildungseinrichtungen gleiche Chancen bekommen und beide Geschlechter gemeinsam unterrichtet werden. 1981 wurde die Gleichstellung im Bildungswesen verfassungsmässig verankert. Seither gilt an Schweizer Schulen das Grundprinzip der Koedukation.
Früher unterrichtete man Mädchen und Buben in getrennten Klassen und mit unterschiedlichen Lehrplänen: Handarbeit, Hauswirtschaft und Religion für die Mädchen; Mathe, Latein und Naturwissenschaften für die Buben. Die Frauenbewegung kämpfte dafür, dass Mädchen in Bildungseinrichtungen gleiche Chancen bekommen und beide Geschlechter gemeinsam unterrichtet werden. 1981 wurde die Gleichstellung im Bildungswesen verfassungsmässig verankert. Seither gilt an Schweizer Schulen das Grundprinzip der Koedukation.