Schule in Gretzenbach SO informiert Eltern erst jetzt über Grüsel-Lehrer Oliver A.
Dieser Brief kommt 2½ Jahre zu spät

Der damalige Schulleiter und Arbeitgeber des angeklagten Primarlehrers bevorzugte es abzuwarten, als er Hinweise auf die sexuellen Übergriffe bekam. Angehörige haben kein Verständnis dafür.
Publiziert: 24.03.2015 um 21:48 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 03:37 Uhr
Sagte der Lehrer alles? Oliver A. (39) beim Gang vors Amtsgericht in Olten SO (l.). Der ehemalige Primarlehrer von Gretzenbach SO wird am Freitag das Urteil erfahren.
Foto: Peter Gerber
Von Ralph Donghi

Letzte Woche stand in Olten SO der ehemalige Gretzenbacher Lehrer Oliver A.* (39) vor Gericht. Er gab zu, von 2005 bis 2009 ausserhalb der Schule rund 51-mal sexuelle Handlungen an drei Buben (damals 13 und 14) vorgenommen zu haben. Das Urteil wird am Freitag gefällt.

Doch in Gretzenbach SO ist die Welt aus den Fugen geraten. BLICK weiss: Die Eltern der damaligen Dritt- und Viertklässler von Lehrer A. wurden nie über das Verfahren informiert, ihre Kinder nie befragt.

Der damalige Schulleiter Klemens Schenker (64) erklärt, A. habe ihm im Juli 2012 gesagt, dass es an der Schule «zu keinen Übergriffen gekommen sei». Das mit den Buben habe A. bestätigt, «ohne Einzelheiten zu erwähnen». Detaillierter sei er erst in den Sommerferien von der Polizei informiert worden. Der Vertrag mit A., der Ende Juli 2012 auslief, wurde daraufhin nicht verlängert.

Doch warum wurden die Eltern nicht informiert? «Bevor das Ermittlungsverfahren nicht abgeschlossen war, wollten wir nicht voreilig und unüberlegt handeln», so Schenker. «Wir haben uns in der gegebenen Situation für dieses Vorgehen entschieden. Das im Nachhinein zu hinterfragen, ist legitim.»

Gemeindepräsident Daniel Cartier (48) schützt Schenker: «Die Schule ist keine Untersuchungsbehörde. Sie hat sich gemäss den Absprachen und Vorgaben der zuständigen Behörden verhalten.» Und: «Solange sich ein Verdacht nicht erhärtet hat, gilt die Unschuldsvermutung. Stellen Sie sich vor, die Anklagen wären gegenstandslos gewesen!»

Adriano Vella (58) vom kantonalen Departement für Bildung und Kultur (DBK) sagt dazu: «Selbstverständlich ist es Aufgabe der Schulleitung, in einem solchen Fall vor Ort zu informieren.» Zudem habe das DBK der Schulleitung keine Weisung zu erteilen, sondern Hilfe anzubieten. Wie etwa den Beizug des Schulpsychologischen Dienstes. Das DBK selbst entzog A. bereits im September 2012 die Unterrichtsberechtigung!

Wie kann man heute sicher sein, dass es an der Schule keine Opfer gab? Vella vom DBK: «Wenn man die Eltern tatsächlich nicht informierte und die Schüler nicht befragte, dann kann man nicht sicher sein.»

Eine Mutter: «Man hat dem Lehrer einfach alles geglaubt und uns gesagt, er sei auf Weltreise und komme nicht mehr. Und jetzt versucht man, uns mit einem Elternbrief über zweieinhalb Jahre später noch zu beruhigen. Das ist zu spät!»

Und die nicht erfolgte Schülerbefragung? Die Kantonspolizei Solothurn sagt: «Wir können uns generell nicht zu einzelnen Verfahrens- oder Ermittlungsschritten äussern.» Begründung: Datenschutz.

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