Schüsse, Gas, Glasscherben
So brutal jagt Zermatt Murmeltiere

In Zermatt kommen die Murmeltiere bis in die Wohnungen. Sie vermehren sich unkontrolliert. Der Streit ums Touristen-Maskottchen entflammte, als Bauern zur Selbstjustiz griffen, um die Nager zu dezimieren. Tierschützer sind empört.
Publiziert: 03.10.2017 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:36 Uhr
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Ausgepfiffen: Murmeli vor dem Matterhorn.
Foto: Schapowalow
Lea Gnos

Ein Murmeltier kriecht aus einem Loch, im Hintergrund das Matterhorn. Ein Bild, das die Feriengäste lieben. Doch wenn es nach den Walliser Bauern ginge, hätten die Murmeli in Zermatt bald ausgepfiffen. Die Nager richteten auf ihren Feldern grosse Schäden an, sagen sie. Das Touristen-Maskottchen wird bekämpft, seine Bauten illegal zerstört. Tierschützer gehen deswegen nun auf die Barrikaden. 

Murmeli kommen sogar in Wohnungen

Ist das Murmeli den Wallisern zur Plage geworden? «In gewissen Gegenden ist es akut. In Zermatt kommen die Tiere bis zum Dorf. Die Murmeltiere gehen sogar vereinzelt in Wohnungen, wenn die Balkontür offen steht», sagt die Gemeindepräsidentin Romy Biner-Hauser (47).

«Ich verstehe aber auch die Tierschützer, es sind herzige Tiere, doch wenn es zu viele gibt und in der Nähe der Siedlungen der natürliche Feind fehlt, werden die Murmeli zum Problem», so die CVP-Gemeindepräsidentin. 

Tierfreunde geschockt über Attacken

Der ehemalige Tierpfleger Silvio Loosli (67) aus Randa VS ist empört, wie mit den Tieren umgegangen wird: «Ich kam oft mit Touristen in die Gegend, um die Murmeltiere zu bestaunen. Durch die Zivilisation wurden sie immer tiefer ins Tal getrieben. Jetzt werden sie abgeschossen, Bauern räuchern ihre Bauten aus, auch werden die Tiere mit Glasscherben traktiert, die ihnen vor die Ausgänge und Fluchtwege gelegt werden; das ist absurd», so der Tierschützer.

Aber: Auch der Wildhüter hat in diesem Jahr schon mehrere Abschüsse vorgenommen, um das Wachstum der Population einzudämmen. Die Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere will aufgrund der Plage ein Reglement ausarbeiten, welches es den Jägern erlaubt, Murmeltiere in bestimmten Gebieten auch ausserhalb der Jagdsaison zu schiessen. Wie viele Tiere bei den Abschüssen durch den Wildhüter bereits ihr Leben lassen mussten, sei nicht klar, sagt der Chef der Dienststelle, Peter Scheibler (58).

Zwei Bauern übten Selbstjustiz

Erst Mitte September wurden zwei Bauern unter anderem wegen Tierquälerei zu einer Geldstrafe von über 3000 Franken verurteilt, wie der «Walliser Bote» schreibt. Am 30. Mai übten Schafzüchter, die in Findeln VS mehrere Parzellen bewirtschaften, Selbstjustiz. Sie zündeten auf einer ihrer Wiesen in neun Murmeltierbauten Feldmauspatronen. Damit die Tiere nicht aus ihren Höhlen entweichen konnten, schütteten sie die Ausgänge mit Erde zu. Das für Nager giftige Gas dringt bis zu den hintersten Gängen ihrer Bauten vor und tötet die Tiere qualvoll.

«Es gibt einfach zu viele Murmeltiere», sagt ein Bauer zu BLICK. Er berichtet: «Beim Mähen der Wiesen übersehen wir im hohen Gras die Löcher, bleiben mit den Traktoren stecken und verletzen uns. Auch konnte ich gerade noch zwei Lämmer retten, die hineinfielen», sagt er. Er selber habe den Tieren nichts angetan, beteuert er, er sehe sie gerne – aber nicht auf seiner Mähwiese. Der Bauer erinnert sich: «Früher waren Murmeli ein Armeleute-Gericht. Da wurden sie automatisch reguliert.»

Für den Tierschützer Loosli ist das keine Option: «Sie gehen doch bald in den Winterschlaf. Lasst die Murmeltiere in Frieden!»

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