Er machte nur seinen Job als SBB-Zugchef – und wurde zu Tode geschleift: Weil der Einklemmschutz der Türe versagte, musste Bruno R. (†54) sterben. Auch zehn Tage nach dem Horror-Unfall von Baden AG ist unklar, wieso der Schutzmechanismus zur Todesfalle wurde. Das Schicksal von Bruno R. löste Trauer und Fassungslosigkeit bei seinen Kollegen aus. Aber auch jede Menge Wut und Empörung auf die SBB. Denn bereits vor R.s Tod machten die Zugtüren Probleme. Sie klemmten Zugbegleiter ein, verletzten sie an Armen, Beinen und Rücken.
Die bange Frage kommt auf: Wie gefährlich sind die Türen für Passagiere? SBB-Chef Andreas Meyer (58) nahm sich persönlich der Sorge an und beruhigte am Freitag öffentlich: «Für die Zugpassagiere besteht nach heutigem Kenntnisstand keine Gefahr.»
Passanten konnten Schlimmes verhindern
Doch die Zahlen, welche die SBB gestern in Zürich an einem Pressetermin publik machten, sagen etwas anderes. Seit 2014 wurden 86 Passagiere durch defekte Türen eingeklemmt! Manche konnten sich befreien – aber nicht alle. Die Folgen davon sind sehr schmerzhaft.
Es kam «zu Prellungen, Quetschungen, Hautabschürfungen sowie gebrochenen Fingern und Zehen», wie SBB-Sprecher Raffael Hirt gegenüber BLICK sagt. Manche Passagiere wurden sogar mitgeschleift.
So zum Beispiel ein älterer Herr kurz vor Weihnachten 2014. Seine Hand wurde in der Zugtüre eingeklemmt. Als der Zug losfuhr, wurde er mitgeschleift, konnte zum Glück aber gerettet werden. Laut der Nationalen Ereignisdatenbank des Bundes versagte auch in jenem Fall der Einklemmschutz. Das berichtete der «Tages-Anzeiger». Vier Jahre später kam es erneut zu einem solchen Vorfall. Dieses Mal traf es eine Frau. Ihr Arm wurde von der Tür eingeklemmt. Sie steckte fest. Drei Passanten mussten ihr zu Hilfe eilen, um Schlimmeres zu verhindern.
Kein Zusammenhang mit Horror-Unfall
Das Problem des defekten Einklemmschutzes ist also nicht neu. Und doch reagieren die SBB erst jetzt. Nach dem Tod ihres Zugchefs Bruno R. verkündeten die SBB gestern, dass eine Taskforce eingerichtet wurde, die nun Sofortmassnahmen angeordnet hat. Darunter eine Inspektion aller 493 EW-IV-Wagen. Das ist jener Wagentyp, der Bruno R. das Leben kostete. Sieben Wochen lang werden nun die Türen samt Sicherheitselementen genau unter die Lupe genommen.
Die Massnahme hat zwar erst begonnen, hat aber bereits erste Pannen ans Licht gebracht: Fünf defekte Türen wurden entdeckt! Türen, die bislang nicht im System als solche gemeldet waren. Und nicht nur das: Der Einklemmschutz reagiere nicht so sensibel wie gedacht. Taskforce-Leiter Linus Looser beteuert aber: «Diese Defekte wären auch bei den regulären Kontrollen entdeckt worden.» Und: Einen Zusammenhang zwischen den erkannten Mängeln und dem Horror-Unfall von Baden gebe es nicht. Das bedeutet: Nach der Kontrolle werden die EW-IV-Wagen wieder durch die Schweiz rollen.
Denn die Aussage von Chef Meyer an alle Zugpassagiere, wonach keine Gefahr bestehe, gelte noch immer, versichern die SBB auf Anfrage.