Es ist kurz nach acht. Irene B. bereitet in der Küche das Znacht. Ihr Sohn Daniel hat an diesem Donnerstagabend Besuch von seinem besten Kollegen Tim* (16). Die beiden sind unten in Daniels Zimmer. Irene B. ahnt nicht, was dort vor sich geht.
Daniel, der Hip-Hop-Musik liebt und den seine Freunde «MC» nennen, zeigt Tim stolz seine Waffe. Er hat sie noch nicht lange. Plötzlich kracht ein Schuss. Er kommt von unten. Dann ein Schrei. Es ist Tim.
Irene B. rennt die Treppe hinunter, stösst die Tür zum Zimmer ihres Sohnes auf. Dort findet sie Daniel. Er liegt am Boden, Blut strömt aus seinem Kopf. Sein Freund Tim steht hilflos daneben.
«Daniel hat noch gelebt, als seine Mutter ins Zimmer kam», sagt sein Stiefvater Martin B. «Aber als die Ambulanz kam, war es schon zu spät.» Daniel stirbt in den Armen seiner Mutter.
Aber warum? Warum hält sich ein Jugendlicher eine Waffe an den Kopf und drückt ab? In Ziegelbrücke verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Von russischem Roulette ist die Rede. Und von Selbstmord.
«Alles Quatsch», sagt ein Freund von Daniel. «Es war ein Unfall.» Da sind sich auch Daniels Eltern sicher. «Er war immer aufgestellt, hatte eine gute Stelle und eine Freundin», sagt der Stiefvater. «Für viele Jugendliche war er ein Vorbild.» Auch die Untersuchungsbehörden gehen von einem Unfall aus.
Daniels Eltern hatten keine Ahnung, dass ihr Sohn eine Pistole zu Hause hatte. «Das hätten wir nie geduldet», sagt sein Stiefvater Martin B.
Daniels Kollegen wussten von der Waffe. «Er hat sie uns gezeigt», sagt ein Freund. Woher Daniel die Pistole hatte, weiss er nicht. «Aber da gibt es Quellen», sagt er vieldeutig.
Daniel und seine Kollegen trafen sich oft am Bahnhof in Ziegelbrücke. Dort hörten sie Musik, hatten Spass. Jetzt hängt dort Daniels Todesanzeige.
In zwei Wochen wäre Daniel 20 geworden. Er hatte ein grosses Fest geplant. Doch statt mit ihm zu feiern, müssen ihn Familie und Freunde jetzt zu Grabe tragen.
* Name von der Redaktion geändert