Blaues Shirt, kurze Hosen. Mit einem milden Lächeln im Gesicht spielt Marcel Dietsche (39) in Kriessern SG vor dem Haus mit seiner Tochter. Und dies obwohl gerade einmal zwei Monate vergangen sind, seit Dietsche sein Mandat als St. Galler SVP-Kantonsrat Knall auf Fall an den Nagel hängte.
Den Rücktrittsgrund lieferte ein «möglicherweise unkorrektes Verhalten gegenüber Arbeitskolleginnen», wie es Dietsche damals mithilfe eines Kommunikationsberaters formulierte (BLICK berichtete).
Gegen den Politiker war in seinem Hauptberuf als Kantonspolizist und Gruppenchef der Mobilen Polizei eine Anzeige wegen sexueller Belästigung eingegangen. Der Rheintaler zog auch beruflich die Konsequenzen und reichte die Kündigung ein. Weggefährten reagierten entsetzt.
Seither ist es um Dietsche ruhig geworden. «Ich bin noch nicht so fit, wie ich es gerne wäre. Aber es geht mir langsam wieder etwas besser», sagt er zu BLICK.
Die Turbulenzen um seine Person seien psychisch nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Derzeit befinde er sich in einer Auszeit. Der Wiedereinstieg in die Berufswelt sei bislang noch kein Thema gewesen.
Schweigen zu Belästigungsvorwürfen
Über die Vorfälle, die seinen tiefen Fall auslösten, will Dietsche nicht sprechen: «Ich bin absolut niemandem Rechenschaft schuldig. Der Rest der Welt braucht sich doch nicht dafür zu interessieren, was ich angeblich gemacht haben soll.»
Fakt ist: Die St. Galler Staatsanwaltschaft hat von der Anklagekammer unterdessen die Ermächtigung zur Eröffnung eines Strafverfahrens erhalten. Diese war wegen der beruflichen Stellung Dietsches als Kantonspolizist einzuholen.
«Es sind mehrere Anzeigen gegen ihn eingegangen», sagt Sprecherin Beatrice Giger zu BLICK. In der Vergangenheit war bislang lediglich von einer Anzeige die Rede gewesen.
«Jeder muss Angst haben, verrissen zu werden!»
Marcel Dietsche scheint die Sache zumindest äusserlich relativ gelassen zu nehmen: «Ich will das Strafverfahren abwarten und schauen, was rauskommt.»
Nachdem er in seiner politischen Karriere stets ein Saubermann-Image gepflegt hatte, flüchtet sich der SVP-Mann jetzt in eine Opferrolle. Sein Fazit: «Es wird zusehends mehr Personen geben, die sich nicht mehr für öffentliche Ämter zur Verfügung stellen. Weil jeder Angst haben muss, verrissen zu werden, wenn mal etwas ist!»
Für Dietsche gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.