So viel Wut, so viel Zerstörung – und kaum Konsequenzen. Am Freitag vor einer Woche zogen Hunderte Chaoten unter dem Motto «Reclaim the Streets» (Erobere die Strassen zurück) durch die Zürcher Innenstadt. Zurück liessen sie eine Spur der Verwüstung.
«Sie waren definitiv auf Randale vorbereitet», sagt ein Augenzeuge. «Sie hatten Säcke mit Spraydosen und Einkaufswagen voller Steine dabei, die sie später in Fenster warfen.» Die Randalierer zündeten Autos und Container an, plünderten Geschäfte, griffen Polizisten an. Sieben Beamte wurden verletzt. Die Schäden belaufen sich auf über eine Million Franken. «Tendenz steigend», sagt der Sprecher der Zürcher Stadtpolizei, Mario Cortesi.
Die Polizei konnte bloss vier Personen verhaften: zwei Schweizer, einen Liechtensteiner und einen Engländer. Inzwischen sind alle wieder auf freiem Fuss. «Einer bekam einen Strafbefehl wegen Landfriedensbruch, gegen die anderen läuft das Verfahren weiter», sagt Cortesi.
Maximale Verwüstung, minimale Strafen für die Täter. Auch bei den Krawallen in Bern und Winterthur ZH im letzten Jahr zeigte sich: Polizei und Staatsanwaltschaften haben den meist vermummten Randalierern wenig entgegenzusetzen.
Werner Karlen fordert härtere Strafen
In Winterthur verhaftete die Polizei nach der Demo vom 21. September 2013 immerhin 93 Chaoten. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Landfriedensbruch, Gewalt und Drohung gegen Beamte. Noch sind einige Verfahren hängig – doch die Strafen, die verhängt wurden, sind ernüchternd.
Ein 28-Jähriger musste wegen der Teilnahme an der unbewilligten Demonstration gerade einmal 100 Franken Busse zahlen! Abschreckung sieht anders aus.
In Bern, wo Randalierer bei Krawallen am 25. Mai 2013 Kosten von über zwei Millionen Franken verursachten, verhaftete die Polizei 54 Personen. Im Internet fahndete sie nach weiteren Chaoten – zwölf junge Männer wurden identifiziert und angezeigt.
Von den insgesamt 66 Anzeigen hat die Staatsanwaltschaft Bern inzwischen ein Drittel per Strafbefehl erledigt. Die Geldstrafen betrugen nach Angaben von Christof Scheurer von der Berner Generalstaatsanwaltschaft zwischen 40 und 140 Tagessätzen. Wurden die Strafen bedingt ausgesprochen, mussten die Chaoten zwischen 200 und 2000 Franken Busse zahlen.
Probleme bereitet den Ermittlern vor allem die Tatsache, dass sie den Randalierern zweifelsfrei nachweisen müssen, dass diese an einer Straftat beteiligt waren. Videoaufnahmen gelten dabei nur beschränkt als Beweismittel. In Winterthur stellte die Polizei aufgrund von Videobildern Strafbefehle aus. Dagegen rekurrierte ein Demonstrant. Im Frühling muss das Zürcher Obergericht über den Fall befinden.
Werner Karlen, der Präsident des Zürcher Polizeibeamtenverbandes, fordert härtere Strafen für die Täter – und verstärkt die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen. «Wir benötigen Beweise, dass eine Person am gewalttätigen Umzug teilnahm», sagt Karlen. Die Beweisführung könne am besten durch Videoaufnahmen erfolgen. Karlen stellt klar: Der Täterschutz dürfe nicht im Vordergrund stehen.
Doch genau das passiert immer wieder: In Bern mussten junge Frauen, die gewaltlos gegen die Miss-Schweiz-Wahl demonstrierten, bei der Polizei DNA-Proben abgeben und sich bis auf die Slips ausziehen. Die Chaoten aus Zürich, die randalierten, plünderten und prügelten, werden wohl ungeschoren davonkommen. Wie die Stadtpolizei Zürich bestätigt, musste keiner von ihnen eine DNA-Probe abgeben.