Problemkind Boris (12) auf Freigang mit Mami Tatsiana
«Ich würde gerne Polizist werden»

Boris (12) ist endlich mal wieder zu Hause. Allerdings nur für einen Tag. Immerhin: Für ein paar Stunden darf der Junge den Heim-Alltag hinter sich lassen.
Publiziert: 18.05.2017 um 00:19 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:12 Uhr
Boris (12) möchte bei seiner Mutter Tatsiana Zahner bleiben.
Foto: Toini Lindroos
Lea Gnos

Boris* (12) nimmt ein Katzen-Läckerli und wirft es in die Luft! Kater Tom kommt angesaust. «Mami hat ihn leider kastriert», sagt er mitleidig. «Das stimmt nicht», sagt seine Mutter Tatsiana Zahner (40) und lacht. 

Er kommt gerade vom Zahnarzt. Mit einem breiten Lächeln zeigt er die neuen, farbigen Gümmeli seiner Zahnspange. Seit gestern darf das Problemkind einen Tag zu Hause in Wettswil ZH verbringen, ohne Aufpasser. Er freut sich. Für zwölf Stunden ist die geschlossene Abteilung der Psychiatrischen Klinik UPK in Basel ganz weit weg. 

Zu Spitzenzeiten verschlang der Junge Sicherheitskosten in Höhe von 85'000 Franken – pro Monat. Seine Odyssee durch pädagogische Einrichtungen, in denen die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ihn platzierte, sorgte für Schlagzeilen.

Die vielen Medikamente haben Spuren hinterlassen

Auf die Frage, was er trinken möchte, sagt der 12-Jährige: «Ein Pils, bitte.» Er lächelt verschmitzt und zwinkert. «Das war nur ein kleiner Scherz!» Der Junge weiss um die Aufregung um seine Person, um das Bild des Problem-Buben, das er abgibt. Durch die vielen Medikamente ist sein Körper aufgeschwemmt.›Rund um die Uhr wurde er Ende 2016 in der Kinderstation der Klinik Brüschhalde in Meilen ZH von Security-Mitarbeitern überwacht. Er erinnert sich: «Das war chillig. Sie haben mit mir gebastelt und mir Geschenke gebracht.» Ganze 3-D-Karton-Scherenschnitte in Lebensgrösse hat das Sicherheitspersonal mit dem Jungen angefertigt. Mangels anderer Beschäftigung. In der Brüschhalde habe es ihm dann auch am besten gefallen. 

Mit Straftätern und Drogenabhängigen untergebracht

Boris ist nicht das einfachste Kind. Doch wenn man ihn sieht, möchte man ihn beschützen: Unter den Patienten geht es ruppig zu. Der Zwölfjährige ist mit Straftätern und Drogenabhängigen untergebracht, die bereits Zellen von innen gesehen haben.

Als Küken sei er halt oft Ziel von Attacken: «Als ich schlief, bemalten sie mein Gesicht mit Filzstift. Als ich in den Spiegel schaute, hatte ich ein Hakenkreuz und die Initialen BL für ‹Big Loser› im Gesicht.» Immerhin: Die eine Frau, die ihn gewürgt hatte, sei mittlerweile umplatziert worden. Einen Freund (16) hat er gefunden. «Wir sind beide in einer ähnlichen Situation», sagt Boris. 

Sport und Deutsch seien seine Lieblingsfächer in der Schule. In der Klinik bekomme er etwa zwei Stunden Unterricht pro Tag. Sein Wunsch für später: «Ich würde gerne Polizist werden. Ich weiss nicht, ob das geht. Ich habe leider viel verpasst.»

Boris träumt von Ferien auf Mallorca

Vor neun Monaten war er das letzte Mal länger zu Hause. «Heute würde ich gerne meine Freunde besuchen und grillieren», sagt Boris. Um acht Uhr abends muss er bereits wieder in Basel in der Klinik sein. Seine Mutter wird ihn zurückfahren. Er würde gerne Ferien machen, weg von alledem. «Am liebsten mit Mama, in Mallorca.» 

Bei der UPK Basel darf man nicht Stellung nehmen, da der Fall der Schweigepflicht unterliegt. *Name geändert 

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