Samantha M.* (†19) aus Genf musste einen grausamen Tod sterben. Wie ihr Götti zu BLICK sagte, riet die Polizei der Familie ab, öffentlich nach Samantha zu suchen, als sie im vergangenen November verschwand. Die Genfer Polizei nahm an, das Mädchen sei von Zuhause ausgerissen. Doch warum bat man die Öffentlichkeit nicht nach ihrer Mithilfe? Wie die «SonntagsZeitung» nun berichtet, geht die Polizei nur in den seltensten Fällen an die Öffentlichkeit.
Offizielle Zahlen zu vermissten Personen in der Schweiz gibt es nicht. Laut einer Umfrage der «SonntagsZeitung», der 13 Kantone aktuelle Daten angaben, wurden in der Schweiz 4700 Personen als vermisst gemeldet, was 13 Vermissten pro Tag entspricht. Öffentlich gefahndet wird allerdings in nur 2,8 Prozent aller Fälle.
Am meisten verschwinden Personen im Kanton Genf
Am meisten verschwinden Personen im Kanton Genf: Im vergangenen Jahr gingen 1668 Vermisstmeldungen ein. «Das liegt daran, dass wir unser System in den letzten Jahren verbessert haben», sagt Sprecher Silvain Guillaume-Gentil. Spitäler oder Schulen melden heute sofort, wenn eine Person vermisst wird. «Auch wenn die Wahrscheinlichkeit sehr gross ist, dass die Betroffenen in wenigen Stunden von selbst zurückkehren.» Einschreiten müsse man jährlich in etwa 450 Fällen – wobei auch dann nur selten öffentlich gefahndet wird. Genf veröffentlichte im vergangenen Jahr nur fünf Vermisstmeldungen.
Guillaume-Gentil sagt: «Einerseits müssen wir vor einer Publikation immer genau abwägen, ob nicht der Persönlichkeitsschutz der Betroffenen höher zu gewichten ist. Andererseits kann eine Öffentlichkeitsfahndung diese Person auch verängstigen, sodass sie sich noch weiter absetzt.» Man wolle auch die Bevölkerung nicht überstrapazieren. «Wenn wir jeden Tag neue Meldungen publizieren, nimmt das irgendwann keiner mehr wahr.»
Das Internet ist ein Argument gegen die öffentliche Fahndung
Jeder Fall müsse einzeln behandelt werden. Ohne das Einverständnis der Angehörigen sei eine öffentliche Suche nicht möglich, sagt Simon Kopp, Sprecher der Luzerner Staatsanwaltschaft. Das Netz ist ein wichtiges Argument gegen eine öffentliche Vermisstmeldung. Durch das Intenet seien die Auswirkungen auf die Betroffenen enorm. So könne ein Teenie nach zwei Tagen unversehrt zurückkehren. «Bis dann wurde sein Name und sein Foto aber oft schon tausendfach auf sozialen Netzwerken geteilt, die Daten sind nicht mehr kontrollierbar», sagt Kopp. Dies kann, etwa bei der Jobsuche, zum Problem werden.
Gebrechliche, verwirrte oder medikamentenabhängige Personen werden eher öffentlich gesucht
Für eine Öffentlichkeitsfahndung sprechen etwa Fälle, in denen eine gebrechliche, betagte, verwirrte oder medikamentenabhängige Person gesucht wird, sagt Jolanda Egger von der Berner Kantonspolizei. Bei extremer Kälte suche man ebenfalls eher öffentlich. «Und natürlich wenn der Verdacht auf ein Verbrechen besteht.» Auch das Alter ist entscheidend. Egger: «Bei erwachsenen, mündigen Personen sind wir sehr zurückhaltend mit öffentlichen Vermisstmeldungen. Es gilt zu beachten, dass diese auch aus freiem Willen verschwinden können.» (kad)