Pöschwies-Direktor über Alltags-Probleme mit Knastis
Sie schmuggeln Drogen im Überraschungs-Ei

Andreas Naegeli leitet seit Januar die grösste Strafanstalt der Schweiz. Hier sein erstes Interview als Pöschwies-Chef.
Publiziert: 31.03.2013 um 18:22 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2018 um 22:01 Uhr
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Andreas Naegeli (49), der neue Direktor von Pöschwies.
Foto: Philippe Rossier
Interview: Sarah Weber, Foto: Philippe Rossier

Häufig hört man von Drogen im Gefängnis. Ist das für Sie als neuer Chef ein drängendes Problem?
Andreas Naegeli: Ein drogenfreies Gefängnis wäre nur möglich, wenn wir uns nach aussen hermetisch abriegeln würden. Es gibt aber leider keine drogenfreie Gesellschaft und somit keine absolut drogenfreien Gefängnisse. Und solange es Gefangene gibt, die Drogen konsumieren wollen, finden sie einen Weg.

Wie kommen die Drogen hierher?
Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Geschmuggelt wird über Besucher, in Paketen und Briefen oder über Gefangene, die aus einem Urlaub zurückkommen. Viele werfen Drogen oder Handys auch über die Gefängnismauer.

Tun Sie etwas dagegen?
Wir haben die Mauern nun stellenweise mit einem Zaun abgeschirmt. Wer künftig ein Paket darüber werfen will, muss weit werfen können.

Kontrollieren Sie zu wenig?
Nein, aber mit Metalldetektoren finden wir keine Drogen. Es gibt Besucher, die zum Beispiel die gelben Kinderüberraschungs-Eier gefüllt mit Drogen in Körperöffnungen verstecken. Aber jeden Besucher ärztlich untersuchen zu lassen, ist völlig unverhältnismässig. Wir testen pro Woche rund zehn Gefangene, die Urinproben oder Wangenschleimhautproben abgeben müssen. Wir untersuchen die Gefangenen auch nach Besuchen. Sind die Proben positiv, gibt es Sanktionen.

Was sagen Sie zu den Vorwürfen von Häftling Rosario M., eine Sozialarbeiterin habe früher mit ihm gekokst?
Zu einem laufenden Verfahren nehme ich keine Stellung.

Warum greifen Sie bei den Drogen nicht durch?
Wir greifen durch. Letztes Jahr hatten wir 35 Disziplinierungen wegen Drogenschmuggels oder Konsums. Was uns beunruhigt, ist, dass nebst Cannabis und vereinzelt Kokain und Heroin zunehmend Anabolika hierher gelangen. Das ist gefährlich.

Für die Mitarbeitenden?
Wer Anabolika nimmt, ist geladen und aggressiver. Die Arbeit im Gefängnis ist ohnehin belastend. Wir sind häufig mit schwierigen Situationen konfrontiert. Da stossen unsere Mitarbeiter an Grenzen. Nicht alle schaffen es gesund bis zur Pensionierung. Viele sind müde, angeschlagen. Das bereitet mir Sorgen.

Laut einer Studie klagen 75 Prozent der Gefängnismitarbeiter über Personalmangel, 79 Prozent leiden unter psychisch auffälligen Insassen. Überrascht?
Ich hätte eher gedacht, dass die Belastungen noch höher sind. Aber die psychisch auffälligen Gefangenen nehmen zu. Häufig sind dies Nordafrikaner, die sich beispielsweise selbst verletzen. Andere verschmieren die Zellen mit Exkrementen. Oft wird solches Verhalten als Druckmittel eingesetzt.

Was tun Sie dagegen?
Wir können erzieherische oder disziplinarische Massnamen ergreifen oder einen Arzt beiziehen. Oft bleibt nur die Versetzung in eine andere Gruppe. Dann haben die Mitarbeiter eine Verschnaufpause. Aber wir können aus unseren Leuten keine Psychiatriepfleger machen. Wenn sich jemand im Arrest die Kleider anzündet oder etwas antut, geht das durch Mark und Bein. Langfristig brauchen wir wohl zusätzlich Psychiatriepersonal.

Sie leiten die Pöschwies seit Januar. Was haben Sie schon geändert?
Markante Veränderungen sind noch keine erfolgt. Es gibt im Kiosk, in dem die Gefangenen einkaufen, neu einen Energy-Drink. Ein Gefangener stellte einen Antrag. So eine scheinbare Kleinigkeit durchzusetzen, sorgte für grosse Diskussionen. Aber das soll jetzt nicht als meine erste wichtige Amtshandlung gelten. Ich arbeite mich noch ein, führe viele Gespräche.

Was planen Sie längerfristig?
Immer mehr Gefangene bilden sich weiter oder machen eine Therapie. Das gibt mehr Unruhe, mehr Bewegung. Und diese Gefangenen fehlen in den Werkbetrieben. Wir wollen dort aber mehr Geld verdienen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht nur noch Spezialisten wie Lehrer, Sozialarbeiter und Therapeuten haben, sondern auch Ressourcen für Personal, das die Gefangenen tagsüber betreut und am Abend die Zellen abschliesst.

Was ändert sich für die Insassen?
Wir erlauben den Gefangenen in den Zellen keine eigenen Rechner mehr, sondern nur noch Bildschirme und Tastaturen. Der Server steht in Zürich. So können wir kontrollieren, was auf dem PC ist.

Die Pöschwies ist voll belegt. Wann sind die Grenzen erreicht?
Wir müssen uns immer mehr auf verschiedene Gruppen einstellen. Verwahrte, ältere Insassen oder psychisch Kranke. Ich bin deshalb dafür, dass wir diese künftig in separaten Gebäuden unterbringen.

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