Eine Tablette Tebofortin pro Tag bringt das Gedächtnis auf Vordermann. So verspricht es ihr Hersteller. Auch eine neue wissenschaftliche Studie bescheinigt der Pille, die einen Extrakt aus den Blättern des ursprünglich in China heimischen Ginkgo-Baums enthält, vielversprechende Eigenschaften: Das Präparat des Pharmaunternehmens «Dr. Willmar Schwabe» soll gegen Alzheimer-Symptome wie Schlaflosigkeit, Depression oder Reizbarkeit helfen. Der Autor ist eine Koryphäe auf diesem Gebiet: Professor Egemen Savaskan, Interims-Direktor der Klinik für Alterspsychiatrie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.
Mit der positiven Studie vergrössert sich schlagartig der Markt für das deutsche Unternehmen und dessen Schweizer Niederlassung in Küssnacht am Rigi. Bereits jetzt gilt die Schwabe-Gruppe mit knapp einer Milliarde Franken Umsatz 2016 weltweit als Platzhirsch unter den Herstellern pflanzlicher Heilmittel.
Keine eigenen Experimente
Doch Recherchen des SonntagsBlick lassen den Heiligenschein der Ginkgo-Pille flackern: Die neue Studie des Schweizer Professors ist nicht so unabhängig, wie sie der Anschein macht. Tatsächlich verfasst wurde die Studie von Mitarbeitern des Pharmaunternehmens. Eigene Experimente oder Versuche haben aber auch sie nicht durchgeführt, sondern lediglich vier ältere Studien zusammengefasst. Pikant: Drei dieser Studien wurden von denselben Schwabe-Mitarbeitern mitverfasst. Bei der vierten Studie wiederum waren Mitarbeiter des «Klinischen Forschungszentrums der Schwabe Gruppe» beteiligt.
Und welchen Anteil hat Professor Savaskan an der Studie? Alle Autoren hätten die Daten interpretiert und die Studie geschrieben, heisst es vage. Robert Hoerr – Mitarbeiter von Schwabe – und Savaskan hätten die Abfassung des Texts «koordiniert». Vor allem aber ist der Zürcher Professor so was wie Schwabes Schlüssel zum Welt-Establishment der Ärzteschaft, ein Werbebotschafter mit sehr viel Einfluss.
Professor schiebt Medienstelle vor
Savaskan reichte die Studie als Hauptautor beim anerkannten Wissenschaftsmagazin «International Psychogeriatrics» der Eliteuniversität Cambridge ein. Von dort ist es nicht mehr weit, bis die positiven Ergebnisse in den Briefkästen der Ärzte auf der ganzen Welt landen.
Doch wieso lässt sich ein renommierter Professor so sichtbar von einer Pharmafirma einspannen? Savaskan selbst äussert sich nur über die Medienstelle seines Arbeitgebers. «Grundsätzlich müssen alle klinischen Studien die Richtlinien der Good Clinical Practice erfüllen, und bei Kooperationen mit Firmen dürfen diese keinen Einfluss auf die Publikation der Resultate nehmen», so Marc Stutz, Mediensprecher der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Er betont, dass weder die Universität noch der Professor Entschädigungen oder Honorare erhalten hätten.
Und doch floss Geld von der Schwabe-Gruppe an den Professor, und zwar in Form von Vortragshonoraren. An mindestens drei Kongressen hielt Professor Savaskan seine Vorträge – der Name des Sponsors war immer der gleiche: die Dr. Willmar Schwabe GmbH und Co. KG.
Ghostwriting ist gang und gäbe
Auch sie zeigt sich wortkarg. Die Fragen von SonntagsBlick blieben unbeantwortet. Stattdessen teilt das Pharmaunternehmen mit, die hohen Standards des ICMJE – eines Zusammenschlusses wissenschaftlicher Fachzeitschriften – seien eingehalten worden. «Nach alledem besteht vollständige Transparenz hinsichtlich der beteiligten Personen und deren Beiträgen zur Publikation.»
Richtig ist: Die eigentlichen Verfasser werden als Co-Autoren aufgeführt, doch das Unternehmen weiss natürlich, dass nur der Hauptautor zählt. Wenn der Text zitiert wird, dann stets als Studie aus der Feder des Zürcher Top-Professors. Das beweist Schwabe gleich selbst: Im Programmheft für einen österreichischen Psychiatrie-Kongress wirbt das Unternehmen mit einem ganzseitigen Inserat für Tebofortin, unterlegt mit Grafiken aus der Studie. Als Urheber wird der Schweizer Autor angegeben. Die eigenen Mitarbeiter tarnt die Schwabe-Gruppe geschickt hinter dem Kürzel «et al» (lateinisch für: «und andere»).
SonntagsBlick will wissen, ob die Causa Schwabe ein Einzelfall ist. «Nein!», sagt Etzel Gysling, selbst Arzt und Gründer der Zeitschrift «Pharma-Kritik». «Ghostwriting ist eine seit Jahren gut bekannte Praxis, bei der ein Forscher sich als Erstautor auf eine Arbeit setzen lässt, die er nicht selbst verfasst hat oder an der er keinen nennenswerten Anteil hat.» Laut Gysling entsteht so eine Win-win-Situation für Arzt wie Pharmaunternehmen. «Es verschafft dem Sponsor der entsprechenden Studie Prestige durch den Namen des Professors.» Auf der anderen Seite werde die Zahl der Publikationen dieses Professors vermehrt, ohne dass er mehr als den kleinen Finger rühren müsse.
Publikationen sind die Währung im wissenschaftlichen Finanzmarkt. Manche Professoren opfern dafür ihre Unabhängigkeit.
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