Nie machte der Eingriff eines Schönheits-Chirurgen schweizweit solche Schlagzeilen: Es ging um die Brustverkleinerung bei einer 19-Jährigen. Und es ging, nicht zum ersten Mal, um Peter Meyer-Fürst (78). Der Zürcher Mediziner verunstaltete die Patientin derart, dass sie mit der operierten Brust wohl nie ein Kind stillen kann.
Meyer-Fürst ist seit 1997 vorbestraft. 2003 missglückten ihm eine Bauch- und eine Gesichtsoperation. 2007 verlor er – damals war er schon 71 – vorübergehend die Bewilligung zum Operieren.
Im selben Jahr filmte der «Kassensturz» mit versteckter Kamera, wie er eine Frau zur Brustkorrektur überreden wollte. Obwohl sie Modelmasse aufwies und, was er nicht wusste, Aargauer Schönheitskönigin war.
2009 entzog ihm die Gesundheitsdirektion wegen diverser Kunstfehler die Bewilligung erneut. Bis das Verwaltungsgericht den Entscheid aufhob.
Erst jetzt, nach Meyer-Fürsts Pfusch-OP an der jungen Frau, griffen die Zürcher Gesundheitsbehörden durch und verhängten erneut ein Operationsverbot. Die Klinik am Bellevue, in der er praktizierte, wurde geschlossen.
Der 78-Jährige ist nicht der einzige Senior des Gewerbes. Hierzulande praktizieren mehr als 2000 Mediziner über 65 – 79 haben schon den 85. Geburtstag hinter sich. Kein Wunder, stieg das ärztliche Durchschnittsalter in 18 Jahren von 44 auf 48,8 Jahre.
Die Patientenschützerin Margrit Kessler (66) will dem jetzt einen Riegel schieben. «Wer operiert, darf dies höchstens bis 67 tun», sagt die GLP-Nationalrätin. Dann soll endgültig Schluss sein. Auch für Allgemeinärzte fordert sie ein Höchstalter: Sie sollen mit 70 den weissen Kittel ausziehen.
«Chirurgen im Pensionsalter sind tatsächlich ein Problem», bestätigt der leitende Arzt einer Ostschweizer Privatklinik. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen: Er fürchtet Angriffe seiner Kollegen.
Beim Entscheid, im hohen Alter noch zu operieren, spiele nach seiner Erfahrung der finanzielle Aspekt nur eine Nebenrolle. Wichtiger sei die Angst vor Ansehensverlust: «Vorher stand man als Chirurg auf einem Podest, wurde bewundert und war angesehen – vielen fehlt dann dieser ideelle Lohn.»
Einer, der offen über das Problem spricht, ist Fritz Kägi (66). In den 80er-Jahren gründete er mit drei Kollegen die auf Orthopädie spezialisierte Klinik Rosenberg in Heiden AR. «Wir wollten etwas Neues, Frisches, Dynamisches schaffen und keinesfalls als operierende Zittergreise enden», sagt er. Darum habe das Quartett schon beim Start festgelegt, dass mit 65 Schluss sei.
Konsequent liess sich Kägi letztes Jahr nach über 30 Jahren in leitender Funktion pensionieren. Jetzt ist er öfter in seinem Ferienhaus im Tessin. «Ich geniesse es, nicht mehr dauernd gestresst zu sein», sagt er.
«Je länger man den Entscheid über den Zeitpunkt der Pension hinauszögert», meint Kägi, «umso schwerer wird es loszulassen.» Mit 65, spätestens 70 müsse ein Chirurg das Skalpell beiseite legen. «Er kann dann vielleicht noch beratend tätig sein, aber nicht mehr operieren.» Denn: «Als Chirurg muss man sehr viele Entscheidungen in sehr kurzer Zeit treffen. Ab einem gewissen Alter geht das einfach nicht mehr so gut.»
Die meisten kantonalen Spitäler kennen eine Altersbeschränkung. Doch viele Chirurgen starten danach eine zweite Karriere in Privatkliniken. «Für die Sicherheit der Patienten kann dies verheerende Auswirkungen haben», sagt Patientenschützerin Kessler.
Für sie ist klar, dass Erfahrung die altersbedingten Schwächen zwar ein paar Jahre lang aufwiegen kann, aber: «Irgendwann ist die Grenze erreicht.» Chirurgen dürften im Alter nur noch beratend tätig sein, meint daher auch Kessler.
Der Kanton Zürich kennt zwar eine Bewilligungspflicht für Ärzte ab 70. Bekommt ein Mediziner sie nicht, kann er ein Gericht anrufen. Das entscheidet im Zweifelsfall für ihn. «Die Richter nehmen Chirurgen wie Doktor Meyer-Fürst zu sehr in Schutz», urteilt Kessler.
Das Risiko, das alte Ärzte in Operationssälen darstellen, haben inzwischen auch die Versicherer erkannt. Seit kurzem ist eine Berufshaftpflicht-Versicherung für Ärzte obligatorisch. Einer der grössten Anbieter solcher Policen, die Zurich, versichert Ärzte ab 65 Jahren nur nach einer Risikoprüfung.
Tatsächlich seien diese Prämien gestiegen, sagt der Zürcher Chirurg Urs Stoffel (62), Vorstandsmitglied der Ärztegesellschaft FMH. «Spezialgebiete wie Gynäkologie und Plastische Chirurgie haben zunehmend Probleme, überhaupt noch eine Versicherung abzuschliessen.»
Das neue Haftpflicht-Obligatorium sei eine gute Sache, findet Orthopäde Kägi. «Wenn ein Arzt die Prämie nicht mehr zahlen kann, ist es Zeit aufzuhören», sagt er. Und schlägt gleich ein einfaches Modell vor, um Patienten vor zu alten Medizinern zu warnen. Sie sollten die Höhe ihrer Prämie transparent machen, «so hat der Patient einen Indikator für die Qualität der Arbeit».