«Plötzlich stand Schweizer Zoll vor der Tür»
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Rentnerin zieht nach Italien:«Plötzlich stand Schweizer Zoll vor der Tür»

Paragrafen-Puff in Castelrotto TI
Zöllner stoppen Umzug von Rentnerin (68) nach Italien

Die Tessinerin Ava Loiacono will nach Italien zügeln. Doch mitten im Umzug stoppen Schweizer Zollbeamte die Arbeit des Transportunternehmens aus Turin (I). Grund: Kabotage!
Publiziert: 07.08.2021 um 12:18 Uhr
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Aktualisiert: 13.08.2021 um 08:35 Uhr
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Fühlt sich vom Zoll im Regen stehen gelassen: Die Tessiner Rentnerin Ava Loiacono (68) aus Castelrotto TI musste ihren Umzug nach Italien unterbrechen.
Foto: Myrte Müller
Myrte Müller

Das schlechte Wetter passt zur Stimmung von Ava Loiacono (68): Unter ihrem roten Schirm läuft die Rentnerin durch die nassen Gassen von Castelrotto TI. Sie erklärt vor Ort, wie es zum verkorksten Umzug kam, der sie seit Tagen wurmt.

Über 40 Jahre lebt die Tessinerin im historischen Dorfkern von Castelrotto. Jetzt hat Loiacono ihr Haus verkauft und will zu ihrer Tochter ins italienische Brescia zügeln. Doch so einfach geht das nicht. «Ich hatte ein internationales Unternehmen aus Turin beauftragt», erklärt sie. «Es hat schon oft Umzüge aus der Schweiz nach Italien organisiert.»

Drei Tage sollte das Zügeln dauern. Das Transportunternehmen reist Mittwoch vor einer Woche mit einem Lieferwagen an. An Bord: Umzugskartons und Füllmaterial. Am Donnerstag wird die Ware verpackt. Am Freitag soll alles unter Dach und Fach sein und der LKW gen Brescia starten – so der Plan, wie «Ticinonline» berichtet.

LKW darf nicht in den Dorfkern

Doch die Rentnerin lebt im Dorfkern mit engen Gässchen. Dort dürfen nur LKW bis zu acht Metern Länge hinein. Der Camion aus Turin ist zwölf Meter lang. «Also haben sie den Laster ein paar Kilometer entfernt im Nachbardorf abgestellt und den Lieferwagen benutzt, um meine Möbel etappenweise von Castelrotto auf den Parkplatz von Biogno TI zum LKW zu transportieren. Das muss jemand beobachtet und gemeldet haben», vermutet Ava Loiacono. Denn um 11.30 Uhr stehen plötzlich Beamte des Schweizer Zolls vor ihrer Haustür.

Der «Shuttle» mit dem Lieferwagen sei Kabotage, so der Vorwurf. Der Transport vom Haus zum Parkplatz, wo der Umzugscamion steht, sei ein Gütertransport auf Schweizer Boden. Und der sei in einem Fahrzeug mit italienischem Kennzeichen nicht erlaubt.

Fahrer wurde fünf Stunden auf der Wache festgehalten

«Sie haben sofort meinen Umzug gestoppt», erzählt die Rentnerin weiter, «und den Fahrer mit auf die Wache genommen.» Fünf Stunden sei er dort festgehalten worden. «Da es sich bis zum späten Nachmittag hinzog, blieb dem Umzugsunternehmen auch keine Zeit, das Umzugsgut am Zoll zu deklarieren. Also musste der Camion bis zum Montag an der Grenze in Chiasso TI stehen bleiben», sagt Loiacono. Zudem gab es eine gesalzene Busse von 1500 Franken für das Unternehmen.

Glücklicherweise waren fast alle Möbel bereits verladen. Nur auf dem Klavier blieb die Musikerin sitzen. Wie viele Betriebe in Italien geht auch das Turiner Umzugsunternehmen in diesen Tagen für zwei Wochen in die Sommerpause. «Jetzt muss ich eine Schweizer Transportfirma finden, die mir mein Piano holt und es in ein Depot stellt», sagt die Musikerin. Zu den bereits bezahlten 6000 Euro kommen weitere Zusatzkosten. Und: «Die neuen Besitzer können das Haus nicht beziehen, weil der Flügel noch im Weg steht.»

Der «Shuttle» mit dem Lieferwagen ist ein Fall von Kabotage

Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) nimmt zum einzelnen Fall keine Stellung. Grundsätzlich sei die gewerbliche Verwendung ausländischer Verkehrsmittel für inländische Transporte – die Kabotage – verboten, sagt Sprecher Simon Erny.

Das gelte auch bei gewerblicher Beförderung von Gütern von einer Wohnung zu einem Fahrzeug innerhalb des Schweizer Hoheitsgebiets. «Dabei handelt es sich um einen Verstoss gegen die Zoll- und Mehrwertsteuervorschriften, der mit einer Geldstrafe geahndet wird.»

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