Ein goldener Buddha thront auf einer Säule in der ehemaligen Wursterei. Davor sitzen ein paar Leute im Schneidersitz, in der Hand halten sie Perlenketten. Nathalie Matter Steinauer (38), Redaktorin an der Uni Bern, sitzt vor einem kleinen Holzbänklein – einer Art Kanzel – und liest laut den Meditationstext.
Es ist still. Bis alle gleichzeitig ein «Ommmm» anstimmen.
Neben Nathalie sitzt ihr Mann André (38), Organisator von Sportreisen. Er ist wie sie praktizierender Buddhist. «Manchmal denkt man während der Meditation nur ans Essen», sagt er, «oder daran, was man erledigen sollte. Ziel ist, trotzdem immer wieder in die Meditation zurückzusinken, Gedanken keine Aufmerksamkeit zu schenken.» Nathalie beschreibt: «Wenn man es schafft, entspannt im Jetzt zu sein, gibt das so ein Wow-Gefühl.»
Seit dreizehn Jahren praktizieren beide tibetischen Buddhismus, der vor allem aus Meditation besteht. «Wir arbeiten mit unseren Emotionen», sagt Nathalie, «versuchen, uns zum Besten weiterzuentwickeln.» André ergänzt: «Wir alle sind schon Buddhas, aber haben das noch nicht verwirklicht, weil unsere Muster uns davon abhalten, das zu erkennen.» Das Paar ist sich einig: «Seit wir meditieren, gibt es viel weniger Dramen.»
Seit drei Jahren leben sie mit ihren zwei Kindern (5 und 3) im buddhistischen Zentrum in Bern. Es ist ein altes Haus im Mattequartier, das sie gemeinsam mit anderen gekauft und umgebaut haben. «Für mich ist das eine Aufgabe, die mich total ausfüllt», sagt André, «zusammen mit Freunden etwas aufbauen. Es war auch der Wunsch unseres Lehrers, das Haus auf eine sichere Basis zu stellen.»
Dessen Foto hängt im Meditationsraum direkt neben dem Buddha. «Der Lehrer hat einen hohen Stellenwert», sagt André, «nicht seine Person, sondern sein Geisteszustand. Damit identifiziert man sich.»
André begegnet ihm an einem Vortrag, zu dem ihn eine Kollegin mitgenommen hat. «Es hat mir den Ärmel reingezogen», sagt er. «Ich wusste, das ist der Weg, den ich gehen möchte.» Seine Frau geht kurz darauf mit. «Ich hatte ein überholtes Bild vom Buddhismus. Von etwas Exotischem, das nicht so recht in unsere Kultur passt.»
André entscheidet sich von Anfang an für den buddhistischen Weg. Nathalie braucht etwas Zeit. «Ich habe genau geprüft, bis ich sagen konnte, es stimmt auch für mich.» Das Paar schliesst sich dem sogenannten Diamantweg-Buddhismus an. Sie besuchen Vorträge, begleiten den Lehrer auf Reisen, meditieren über seine Texte.
André Steinauer ist Innerschweizer. Seine Eltern sind katholisch. «Für sie war es keine grosse Sache, dass ich Buddhist wurde», sagt er. Auch das Umfeld reagiert kaum auf die neue Religion. «Wir haben uns ja nicht völlig von unserem bisherigen Leben abgewandt. Weder ziehen wir uns anders an noch müssen wir bestimmte Gebote einhalten.»
Auch aus der Kirche sind die beiden nicht ausgetreten: «Buddhismus konzentriert sich mehr nach innen, die Kirche übernimmt soziale Aufgaben, kümmert sich um Leute, um die sich sonst niemand kümmert. Das wollen wir unterstützen.»