Nach Mord in Pöschwies
Gefängnis-Direktor Graf kann nicht mehr

REGENSDORF ZH – Der Mord in seiner Strafanstalt setzt ihm schwer zu. Pöschwies-Direktor Ueli Graf (59) kommt nicht mehr zur Arbeit – «bis auf weiteres».
Publiziert: 07.02.2008 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:22 Uhr
Von Karin Baltisberger, Thomas Ley und Beat Michel

Er war gezeichnet. Trotz akkurater Föhnfrisur und munterer blauer Krawatte wirkte Ueli Graf müde, war blass, abgespannt. «Mir geht es schlecht», sagte der Leiter der Strafanstalt Pöschwies. Und hatte Tränen in den Augen. «Wenn ich nur das Rad der Zeit zurückdrehen könnte. Ich habe ja nur versucht, mein Bestes zu machen», sagte Graf.

Das war am Mittwoch vor einer Woche. Grafs letzter öffentlicher Auftritt. Er musste vor die Presse treten und erklären, wie es zum schrecklichen Mord in seinem Gefängnis kommen konnte.

Graf flüchtete sich in Halbwahrheiten. Gemeinsam mit Thomas Manhart, dem Chef des Amts für Justizvollzug, liess er zwar verlauten, dass es mit dem Verwahrten Roland K.* (49) bereits «einen gravierenden Vorfall» gegeben habe. Er verschwieg aber, dass es sich um eine Sex-Attacke auf sein späteres Opfer Simon K.* (25) handelte.

Jetzt kann der Gefängnis-Direktor nicht mehr. Graf hat sich beurlauben lassen. Zur Erholung. Bis auf weiteres.
Dies wurde den Mitgliedern der Zürcher Justizvollzugskommission am Montag mitgeteilt. Wann Graf wieder zurückkommt, ist noch unklar. So lange führt der Stellvertreter seine Geschäfte weiter.

Der dreifache Familienvater Graf genehmigte sich schon mal eine sechswöchige Auszeit. Vor zwei Jahren. Auch damals war es zu einem Vorfall mit einem Verwahrten gekommen. Der mehrfache Vergewaltiger Albert G.* (51) war auf unbegleitetem Hafturlaub – und überfiel prompt eine Prostituierte.

Fühlt sich Graf mitverantwortlich für den Mord an Simon K.? Immer mehr Details kommen jetzt ans Licht. Und die belasten die Verantwortlichen der Strafanstalt.

Das Opfer Simon K. (25) sass nur für 12 Monate im Gefängnis, wegen Drogendelikten und Diebstahl. Doch plötzlich ist er mit Roland K. in derselben Gefangenengruppe – einem lebenslang verwahrten Bubenmörder. Der bullige K. belästigt den jungen Mann. Im Dezember greift er ihm zwischen die Beine. Und wird mit 20 Tagen Gruppenausschluss bestraft (im BLICK).

Damit hält die Gefängnisleitung den Vorfall für erledigt. Sie lässt Roland K. wieder zurück in seinen Trakt – und zu seinem Opfer. Dort bedrängt er Simon K. weiter. Noch eine Woche vor seinem Tod sagt der 25-Jährige einem Verwandten, dass Roland K. ihn belästige. Und dass die Aufseher seine Beschwerden ignorieren.

Wie brutal der Ex-Psychiatrie-Pfleger Simon K. getötet hat, zeigen Informationen, die BLICK vorliegen: Roland K. zog sein Opfer aus und versuchte, sich mit einer Spraydose an ihm zu vergehen. Dann erwürgte er Simon K. – und fügte ihm Schnittverletzungen zu.

Die Untersuchungen werden zeigen, ob die Tat hätte verhindert werden können. Und falls ja – wer die Verantwortung trägt.

* Namen der Redaktion bekannt

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