Was beschloss der Bundesrat in seiner Krisensitzung?
3:33
Druck auf Regierung steigt:Was beschloss der Bundesrat in seiner Krisensitzung?

Uffzgi-Verbot für heimgeschickte Aargauer Schulkinder – Regierungsrat erklärt
«Es muss eine nationale Koordination her»

Ab Montag sind die Schulen in der Schweiz wegen des Coronavirus geschlossen. Doch nicht alle Kantone machen die Schotten dicht. Im Aargau dürfen Schüler zu einem Betreuungsangebot kommen – in die Schulen! Der zuständige Regierungsrat nimmt im BLICK Stellung.
Publiziert: 15.03.2020 um 21:26 Uhr
|
Aktualisiert: 16.03.2020 um 11:26 Uhr
1/4
Der Aargauer Regierungsrat Alex Hürzeler (54): «Es ist sicher sinnvoll, wenn der Bund den Takt vorgibt.»
Foto: zVg
Interview: Ralph Donghi

BLICK: Herr Hürzeler, muss am Montag wie vom Bundesrat verlangt nun jeder Schüler im Kanton Aargau zu Hause bleiben?

Alex Hürzeler (54, SVP): Grundsätzlich hat der Bund beschlossen, dass kein Unterricht stattfinden darf. Das setzen wir um. Gleichzeitig hat der Bund aber auch gesagt, dass man schauen muss, dass Betreuungsmöglichkeiten und -angebote vorhanden sind. Wir setzen dies so um, dass wir die Schulen beauftragt haben, dass sie am Montagmorgen ein rudimentäres Angebot an Betreuung in den Schulanlagen garantieren können. Wir haben aber keine Ahnung, ob zehn, zwanzig oder dreissig Prozent der Schüler kommen werden, falls ihre Eltern zu Hause nicht so schnell eine Betreuungsstruktur garantieren können.

Auf der einen Seite macht man die Schulen zu und auf der anderen Seite können die Schüler dann trotzdem in die Schule kommen. Ist das nicht ein Widerspruch?

Wenn Sie es so sagen, dann ist es ein Widerspruch. Jedoch hat der Bund korrekterweise auch gesagt, dass wir für die Grundversorgung im Land diverse Berufsgruppen brauchen. Etwa im Pflege- oder Sicherheitsbereich, im öffentlichen Verkehr oder im Lebensmittelbereich. Und wenn diese Eltern übers Wochenende nicht so schnell für die nächsten drei Wochen garantieren können, dass für ihre Kinder gesorgt werden kann, dann müssen wir wie vom Bund verlangt ein Betreuungsangebot sicherstellen. Diese Aufgabe haben wir den Gemeinden und Schulen weitergegeben, die sehr intensiv daran sind, dass sie am Montagmorgen ein individuelles Angebot haben.

Wie könnte so eine Betreuung in der Schule aussehen?

Wir haben dies den Schulen nicht konkret vorgeschrieben. Aber es ist sicher so, dass auch die anderen Auflagen des Bundesamts für Gesundheit eingehalten werden müssen. Eine Betreuung wird sicher nicht im gleichen Schulzimmer, sondern in gewissen Gruppen stattfinden und in einer gewissen Distanz zueinander. Man wird vielleicht in die Natur hinausgehen oder die Bibliotheken öffnen, damit sich Kinder selbständig weiterbilden können. Zugegebenermassen, wenn wir die Entwicklung in der Schweiz und in Europa ansehen, wird es in den nächsten Wochen sicher weitere Auflagen geben und sich die Situation nochmals verändern.

Im Aargau dürfen Lehrer den Schülern keine Aufgaben erteilen – auch nicht digital. So lungern diese doch eher in der Gegend rum. Wieso das?

Die 230 Schulträger im Aargau sind bei weitem nicht alle bereit. Nicht alle haben überhaupt die technischen Möglichkeiten. Und damit wir nach dem kurzfristigen Entscheid vom Bundesrat nicht ein Chaos haben, haben wir uns auf das Betreuungsangebot konzentriert und sicher nicht schon auf Montagmorgen einen strukturierten Unterricht übers Internet aufgebaut. Da muss eine nationale Koordination her.

Denken Sie, dass die Schüler freiwillig zu Hause lernen?

Das kommt auch auf die Eltern an, ob sie bildungsnah sind und die Möglichkeit haben, den Kindern zu helfen. Eltern, die ihren Kindern nicht nur ein iPad oder einen Gameboy zur Verfügung stellen, werden jetzt auch eine gute Lösung haben. Schwierig wird es bei Eltern, die berufstätig sind, eine sogenannte Bildungsferne oder wegen ihres Migrationshintergrunds Probleme mit der Sprache haben. Darum ist eben das Betreuungsangebot in den Schulen wichtig. Es ist eine Ausnahmesituation, und wir dürfen solche Eltern nicht überfordern.

Was ist mit den Lehrkräften, werden sie jetzt freihaben?

Nein. Grundsätzlich sind alle zu 100 Prozent in den Schulen im Betreuungsangebot aktiv. Ausser die gesundheitlich angeschlagenen oder älteren, teils bereits pensionierten Lehrpersonen, die noch tätig sind. Sie haben wir aufgerufen, zu Hause zu bleiben und von dort aus mitzuhelfen. Wir werden zudem am Montag mit allen relevanten Schulverbänden eine Sitzung haben, wo wir besprechen, wie wir künftig über alle Schulstufen hinweg einen strukturierten Unterricht machen können.

Wird der Aargau wie andere Kantone nun auch Kitas schliessen?

Im Aargau sind Kitas grundsätzlich privat organisiert. Einige haben mit Gemeinden Leistungsverträge. Wenn es keine nationalen Auflagen gibt, bitten wir die Kitas, dass sie ihren Betrieb aufrechterhalten. Eben für diese Kinder, deren Eltern arbeiten müssen.

Und wie gross ist die Möglichkeit, dass wie im Tessin, in Baselland und Jura bald auch im Aargau eine Notlage ausgerufen wird?

Ich finde es gut, wie der Bundesrat vorgeht und die Lage immer wieder neu analysiert. Es ist anzunehmen, dass es auch in der Schweiz weitere Auflagen geben wird. Wir vom Regierungsrat haben bereits vorbesprochen, dass wir uns jeweils dem Bund anschliessen und bei Verordnungen nachziehen werden. Es ist falsch, und ich bin ein wenig überrascht, dass jetzt einzelne Kantone eigene Notszenarien aufziehen. Wir warten ab, was am Montag oder am Dienstag vielleicht national angeordnet wird. Es ist sicher sinnvoll, wenn der Bund den Takt vorgibt.

Rechnen Sie damit, dass Läden in der ganzen Schweiz geschlossen werden müssen?

Wenn ich lese und sehe, was in anderen Kantonen und angrenzenden Ländern beschlossen wurde, könnte dieser Takt sicher auch vom Bund vorgegeben werden. Wichtig ist, dass wir national vorwärtsgehen, Schritt für Schritt als Staat. Und nicht zu hektisch oder nur einzelne Behörden.

Was sagen Sie zu den Hamstereinkäufen, die teils stattfinden?

Die sind übertrieben. Im Notfall wird sicher jeder Bürger genug zu Essen haben – wie etwa in Italien. Die Grundversorgung würde in der Schweiz national koordiniert, sollte sich die Situation in den nächsten Wochen derart verschärfen. Ich befürchte, dass hierzulande Lebensmittel gekauft wurden, die am Ende gar nie gebraucht werden.

Und wie hat sich Ihre Arbeit seit der Corona-Krise verändert?

Es ist alles anders. Auch für uns, die in einer politischen Verantwortung sind. Es wurden enorm viele Sitzungen und externe Veranstaltungen abgesagt. Das heisst aber nicht, dass ich weniger zu tun habe. Es dreht sich auch am Wochenende alles um das Coronavirus. Einfach mehr per Telefon oder E-Mail. Wichtig ist, dass wir Regierungsräte nicht Hauruckübungen machen, sondern Schritt für Schritt entscheiden, dem Bundesrat angeglichen.

Coronavirus

Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?