Kurz vor Weihnachten hatten Beizer die Bescherung: Sie mussten ihre Läden schliessen. Der zweite Lockdown binnen eines Jahres stürzte die Branche in eine Krise. Laut dem Branchenverband Gastrosuisse musste jedes fünfte Lokal ganz aufgeben.
Die SVP wollte den Bundesrat deshalb entmachten und forderte, dass Restaurants, aber auch Fitnesscenter ab dem 22. März öffnen dürfen. Doch der Corona-Aufstand scheiterte. Wann die Beizen im Land wieder öffnen dürfen, bleibt unklar – bis mindestens am Freitag, wenn der Bundesrat über weitere Lockerungen entscheidet. Doch wäre eine Öffnung überhaupt im Sinne der Wirte? Im BLICK streiten sich zwei Beizer über Sinn und Unsinn.
Für die schnelle Öffnung: Silvia (63) und Hans Schacher (63) vom Blauen Esel in Reiden LU
Sie sind seit 1985 in der Gastronomie tätig und führen seit 1996 das Restaurant Zum blauen Esel in Reiden LU. Doch so enttäuscht waren Silvia (63) und Hans Schacher (63) von den Politikern in Bundesbern noch nie. «Das ganze Spiel mit den Corona-Regeln geht nicht mehr auf», sagt das Wirte-Ehepaar zu BLICK. «Wir Beizer müssen trotz Schutzkonzept geschlossen bleiben und alle anderen Läden dürfen offen haben. Wir verstehen das nicht!»
Seit Monaten haben sie Sorgen. Sie mussten zwar ihre Angestellten nicht entlassen und konnten Kurzarbeit anmelden, aber: «Für den Umsatzverlust haben wir bisher kein Geld bekommen.» Sie hätten lediglich ein Bestätigungs-Mail erhalten, dass ihr Fall bearbeitet werde. Da nütze auch ihr momentanes Take-away-Angebot nicht viel. «Wir hatten vor der Corona-Krise viel mehr Mittags- und Abendmenüs», sagt Silvia Schacher.
Sie und ihr Mann hofften, dass sich die SVP durchsetzt. Was Hans Schacher davon hält, dass der Nationalrat es abgelehnt hat, den Bundesrat zu entmachten? «Eine Schweinerei! Wir sind organisiert und könnten schon morgen öffnen.»
Der Wirt kocht vor Wut: «Das ist nichts anderes als ein Machtspiel der Politik.» Er unterstützt die Meinung der SVP, dass man in der Schweiz inzwischen eine «Diktatur» habe. «Man muss immer nicken, Ja sagen und zahlen, und am Ende wird man noch ausgenommen.»
Ihr grösster Wunsch: «Dass das ganze Zeug vorbeigeht und wir wieder öffnen können!» Silvia Schacher: «Ich würde dafür sogar ins Bundeshaus laufen und denen sagen, dass sie endlich alle Löcher öffnen sollen.» Sie vermisse ihre Stammgäste, das Feierabendbier und die sozialen Kontakte. «Sonst vereinsamen die Leute irgendwann.»
Gegen die frühe Öffnung: Stephan Münger (49) vom Capo's Burger in Wil SG
Natürlich kann Stephan Münger (49) es kaum erwarten, in seinem Restaurant in Wil SG endlich wieder Gäste zu empfangen. Nur: Von Schnellschüssen hält der Inhaber von Capo's Burger nichts. «Wird zu früh geöffnet, ist zu befürchten, dass die Corona-Zahlen wieder explodieren, und dann rasseln wir schnurstracks in den nächsten Lockdown!»
Ganz oder gar nicht, so seine Devise. «Einschränkungen mit maximal 50 Gästen oder frühzeitige Schliessungen um 19 Uhr sind der blanke Horror. Und Plexiglasscheiben machen das Ambiente kaputt!»
Da warte er mit der Wiedereröffnung lieber bis Mai oder gar Juni, falls dies nötig sein sollte. Man soll den Plan in Ruhe durchziehen, ohne dass die SVP dazwischenschiesse.
Aber: «Alle Beizen wurden von den Behörden geschlossen. Also muss der Bund jetzt auch dafür aufkommen.» Der Zugang zur finanziellen Unterstützung bereitet dem Wirt Sorgen. Die Kurzarbeitsentschädigungen der Monate Januar und Februar seien für seine zehn Mitarbeiter etwa erst diese Woche geflossen. «Die Antragsformulare für Härtefallgelder sind so kompliziert, dass sogar Buchhalter daran scheitern», erklärt Stephan Münger.
Zurzeit würden zu viele Kollegen durch das Raster fallen. Der Staat habe keine Legitimation, Betriebe in den Ruin zu treiben, die vor der Krise funktioniert hätten. Münger setzt nun seine Hoffnungen auf einen ruhigen Sommer und auf Impfungen. Auch wenn er selbst sagt: «In meinem Restaurant werden auch Ungeimpfte immer willkommen sein. Ich will keine Zweiklassengesellschaft!»