Alles beginnt mit einer unverfänglichen Nachricht auf Facebook. Der junge Leon* (15) aus Bayern wird von einem vermeintlich gleichaltrigen Buben angetextet. Man chattet, versteht sich gut, Selfies werden ausgetauscht. Es wird offener, intimer. Auf einem Bild ist der Teenager nackt zu sehen – ein fataler Fehler.
Denn: Sein Kollege ist kein Teenager, sondern entpuppt sich als einen älteren Mann namens Rolf E.* (50). Leon wird nun mit seinem Nacktbild erpresst. Der Unbekannte droht mit der Veröffentlichung des Bildes: bei Freunden, der Familie, überall. Er fordert eine Gegenleistung: Leon soll sich anderen Männern für Sex anbieten – nur dann bleibe das Foto unter Verschluss. Der Bub stimmt in seiner Not und aus tiefer Scham dem perversen Geschäft zu. Immer wieder.
Fabio D. reist für Sex mit dem Jungen nach Deutschland
Wie der «Stern» schreibt, mutiert sein Erpresser nun zum Zuhälter und offeriert Leon auf einschlägigen Internetseiten. Männer melden sich. Rolf E. vermittelt. Die Freier zahlen für Sex. Nach BLICK-Informationen wird auch der Aargauer Fabio D.* (44) auf den 15-Jährigen aufmerksam und reist nach Deutschland. Für 400 Euro hat er Analverkehr mit Leon. Der Junge bekommt das Geld in bar. Rolf E. kassiert eine Vermittlungsgebühr.
Im Sommer 2015 fliegt der Pädo-Ring auf – Rolf E. wird festgenommen. Den Ermittlern bietet sich ein düsteres Bild: Auf dem Rechner finden sich 500 Nacktfotos von diversen Buben, dazu eindeutige Chatverläufe. Die deutschen Fahnder stossen auf das Schicksal von Leon – und auf den verdächtigen Freier aus dem Aargau.
Die deutschen Ermittler bitten die Aargauer Behörden um Hilfe
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth bittet die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau um Mithilfe. Der Vorwurf: sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen gegen Entgelt. Die Wohnung von Fabio D. wird durchsucht, er kommt in U-Haft. Damit nicht genug – die Ermittler finden bei ihm auch Kinderpornos.
Oberstaatsanwalt Daniel von Däniken bestätigt: «Man fand und beschlagnahmte anlässlich der Hausdurchsuchung unter anderem pornografisches Material. Es bestand der Verdacht, dass er das Vorgefundene an seinem Wohnort in der Schweiz konsumierte.»
Die kantonale Staatsanwaltschaft eröffnet daraufhin ein eigenes Strafverfahren – und übernimmt Ende 2015 auf Ersuchen der deutschen Behörden auch das dort hängige Strafverfahren für den Übergriff an Leon.
Im normalen Leben als Sozialarbeiter und Schulpsychologe aktiv
Fabio D.* wird mehrmals einvernommen, sitzt kurz in U-Haft – ist heute aber ein freier Mann. Bedenklich: Der Sozialpädagoge arbeitete in der Vergangenheit lange Zeit als Schulpsychologe in diversen Einrichtungen im Kanton. Ausgerechnet mit Jugendlichen, die er in seiner Freizeit begehrt. Momentan ist er als Sozialarbeiter bei einer privaten Organisation tätig.
Als BLICK Fabio D. mit den Missbrauchsvorwürfen konfrontiert, spricht er von einem einmaligen Ausrutscher: «Ich habe einen grossen Fehler begangen und mich danach sofort in Therapie begeben.» Auf Leon sei er im Internet gestossen, und sagt dann ganz offen: «Ja, ich habe aktiv nach Sex mit einem Minderjährigen gesucht und auch dafür bezahlt.»
Für eine Entschuldigung hat es noch nicht gereicht
Als Schulpsychologe ist er nach eigenen Angaben nicht mehr aktiv: «Ich habe gemerkt, dass das nicht zusammenpasst.» Für eine Entschuldigung bei seinem Opfer Leon hat es jedoch noch nicht gereicht: «Das mache ich dann, wenn alles abgeschlossen ist.»
Bei seinem Arbeitgeber erfuhr man erst gestern vom Vorleben des Mitarbeiters. Seine Vorgesetzte sieht dennoch keinen Handlungsbedarf: «In seinem Tätigkeitsbereich hat er nicht mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Zudem hat er sich bei uns bisher nichts zuschulden kommen lassen.»
Die Staatsanwaltschaft Aargau ermittelt weiter. Oberstaatsanwalt Daniel von Däniken: «Das Untersuchungsverfahren ist weit fortgeschritten, aber noch hängig.»
* Namen geändert
Wenn Erwachsene im Internet gezielt Jugendliche und Kinder mit einer sexuellen Absicht anschreiben, spricht man von Cyber-Grooming. Meistens sind die Täter erwachsene Männer, die sich in sozialen Netzwerken als Jugendliche ausgeben. Zunächst korrespondieren die Täter mit den Kindern und Jugendlichen ganz unverfänglich. Der Kontakt mit dem Täter wirkt harmlos. Dadurch gewinnen sie das Vertrauen ihrer Opfer. Nach und nach zeigen die Täter dann ihre wahren Absichten. Sie stellen Fragen über sexuelle Erfahrungen und Vorlieben, verlangen nach anzüglichen Bildern und Videos der Minderjährigen. Dabei gehen die Täter manipulativ vor und erpressen ihre jungen Opfer mit dem verschickten Material. Manche Männer verlangen Geld, andere fordern noch mehr perverse Bilder. Sogar reale Treffen können ab diesem Zeitpunkt folgen. Damit es gar nicht erst so weit kommt, wird Eltern empfohlen, mit ihren Kindern Sicherheitsregeln für das Internet und den Umgang mit sozialen Medien wie Facebook aufzustellen.
Wenn Erwachsene im Internet gezielt Jugendliche und Kinder mit einer sexuellen Absicht anschreiben, spricht man von Cyber-Grooming. Meistens sind die Täter erwachsene Männer, die sich in sozialen Netzwerken als Jugendliche ausgeben. Zunächst korrespondieren die Täter mit den Kindern und Jugendlichen ganz unverfänglich. Der Kontakt mit dem Täter wirkt harmlos. Dadurch gewinnen sie das Vertrauen ihrer Opfer. Nach und nach zeigen die Täter dann ihre wahren Absichten. Sie stellen Fragen über sexuelle Erfahrungen und Vorlieben, verlangen nach anzüglichen Bildern und Videos der Minderjährigen. Dabei gehen die Täter manipulativ vor und erpressen ihre jungen Opfer mit dem verschickten Material. Manche Männer verlangen Geld, andere fordern noch mehr perverse Bilder. Sogar reale Treffen können ab diesem Zeitpunkt folgen. Damit es gar nicht erst so weit kommt, wird Eltern empfohlen, mit ihren Kindern Sicherheitsregeln für das Internet und den Umgang mit sozialen Medien wie Facebook aufzustellen.