Der Ex schüttelte ihr Kind (†2) tot, D. H. griff nicht ein – jetzt stehen beide vor Gericht
«Ich vermisse meinen Sohn»

In Baden stehen heute und morgen Mutter D. H. sowie ihr Ex-Partner Marc L. vor Gericht. Sie müssen sich für den Tod des kleinen Philipp (†2) verantworten. Die Anklage wirft den beiden fahrlässige beziehungsweise vorsätzliche Tötung vor.
Publiziert: 05.09.2017 um 07:32 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:05 Uhr
Ralph Donghi und Lea Hartmann

D. H. (32) erträgt den Prozess nur schwer. Immer wieder bricht sie im Saal des Bezirksgerichts Baden AG heute Morgen in Tränen aus. «Ich vermisse meinen Sohn», sagt die Radiologieassistentin aus dem Aargau.

Ihr Sohn Philipp starb im Oktober 2014 im Alter von zwei Jahren. Ihr damaliger Freund Marc L. hat den Buben in der Wohnung H.s mutmasslich zu Tode geschüttelt. Er ist wegen vorsätzlicher Tötung angeklagt und muss sich zudem wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung vor Gericht verantworten.

D. H. wirft die Staatsanwaltschaft vor, die Augen vor den Misshandlungen verschlossen zu haben. Die Anklage gegen sie lautet unter anderem fahrlässige Tötung durch Unterlassen und mehrfache fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen.

Massive Misshandlungen – über Monate

Die Anklageschrift offenbart, welchem Horror der zweijährige Philipp über Monate ausgesetzt war. Hämatome, Kratzer, Würgemale, Beulen, Verbrennungen, Schnitte: Über 20 Verletzungen dokumentierte die Staatsanwaltschaft. Sie waren teilweise massiv. So hielt das Personal der Kindertagesstätte, in die der Bub gebracht wurde, im Sommer 2014 fest, der Po des Buben sei «blau und rot», ein anderes Mal notierte sich ein Mitarbeiter des Sozialdienstes der Gemeinde, in der die Frau mit ihrem Sohn lebte, Philipp sei «ganz blau» im Gesicht.

Immer wieder ging die Mutter mit ihrem misshandelten Sohn zu einem Arzt oder ins Spital. Dabei hatte sie jedes Mal eine mögliche Erklärung für die Verletzungen parat. Philipp sei beim Spielen gestürzt, in den Glastisch gerannt, habe sich am heissen Tee verbrannt oder sich an einer Scherbe geschnitten. Ihr Sohn sei halt hyperaktiv und schwer zu bändigen gewesen, erzählt H. vor Gericht. Gleichzeitig sagt sie aber auch: «Ich habe nie gesagt, so ist es passiert. Weil ich es nicht gesehen habe.» H. widerspricht zudem der Darstellung der Ärzte, auf das Thema Kindsmisshandlung angesprochen worden zu sein.

Der Bub nannte ihn «Papa»

Was sie sich vorwerfe, sei ihre Naivität, sagt H. Sie habe sich nie vorstellen können, dass ein Mensch, den man so geliebt habe, zu solchen Taten fähig sei. Den Peiniger ihres Sohnes hatte H. im Frühling 2014 übers Internet kennengelernt. Schon bald habe sein Sohn L. «Papa» genannt, erzählt sie vor Gericht.

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass D. H. bereits wenige Monate nach Beginn der Beziehung hätte erkennen müssen, was ihr Freund ihrem Sohn antat. Spätestens seit Juni 2014 – also vier Monate vor Philipps Tod – habe sie damit rechnen müssen, dass von ihrem damaligen Freund eine konkrete Gefahr ausgeht, hält die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift fest. Trotzdem habe sie es zumindest in Kauf genommen, ihren Sohn «in dieser Gefahr im Stich zu lassen».

13 Jahre Gefängnis für Ex-Freund gefordert

Die Anklage gegen das damalige Paar wurde bereits am 14. April 2016 erhoben. Während heute D. H. im Zentrum des Prozesses steht, wird morgen Marc L. vor Gericht aussagen müssen. In den Befragungen der Staatsanwaltschaft sagte er bereits aus, den Buben «nur ganz kurz» geschüttelt zu haben, weil er geweint habe. Er habe nicht gewusst, dass das gefährlich ist.

Die Staatsanwaltschaft fordert für Marc L. eine Gefängnisstrafe von 13 Jahren. D. H. soll für 14 Monate bedingt hinter Gitter.

Wann das Urteil gefällt wird, ist noch unklar.

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