Es war ein abscheuliches Verbrechen: Mitten in Aarau wird die Prostituierte Kerstin «Tina» S.* (40) getötet. Erdrosselt vom 17-jährigen Tobi B.*
In der Nacht auf den 10. Februar 2008 schlug der Killer im Bordell «Métro» zu – mehr als drei Jahre sind seither vergangen.
Jetzt wendet sich Altenpflegerin Silvia Gilgen (45) an BLICK. Sie ist die Schwester der Ermordeten, lebt in Deutschland. «Dass der Mörder bis heute nicht verurteilt ist, ist ein Skandal! Als ob es nicht schlimm genug wäre, dass Tina so brutal sterben musste», klagt sie an.
«Wird der Killer nie bestraft? Der soll in ein richtiges Gefängnis. Und vor allem muss endlich ein Prozess stattfinden!», sagt Silvia Gilgen. «Ich weiss nicht, worauf die Schweizer Behörden warten. Wir wollen Klarheit und endlich abschliessen können.»
Tinas Schwester weint. «Wissen Sie, wegen dieser Tat bin ich nicht mehr wie früher. Vor zwei Jahren ging deshalb meine Ehe kaputt. Und jetzt muss ich allein für fünf Kinder sorgen», sagt Silvia Gilgen. «Dieser Typ hat nicht nur das Leben meiner Schwester zerstört, sondern auch meines!»
Für die Angehörigen des Opfers ist es schwierig, an Informationen über den Fall zu kommen. Weil Tobi B. als jugendlicher Täter von den Behörden besonders geschützt wird. «Ich will wissen, warum meine Schwester sterben musste. Und wie. Sie war robust, wusste sich zu wehren. Wir können uns die Tat nicht erklären. Aber vielleicht steckt mehr dahinter. Vielleicht wars ein Auftrag.»
Dass er Tina erdrosselt hat, gesteht Tobi B. «regungslos»
Fünf Tage nach der Tat wurde Tobi B. verhaftet – er lebte in einem Heim in Gränichen AG. Dass er Tina erdrosselt hat, gesteht er «regungslos», so die Polizei.
Am 27. Juni 2008 bricht Tobi B. aus. Flieht aus dem Jugendheim in Aarburg. Er wird von der Polizei in Zürich geschnappt. In Tobis Rucksack: eine durchgeladene Waffe, eine Schachtel Munition und ein Schmetterlingsmesser. Was der 17-Jährige damit vorhatte, wollen die Behörden bis heute nicht sagen.
Von der Flucht erfährt Silvia Gilgen aus dem Internet. «Als wir das lasen, konnten wir es fast nicht glauben», sagt sie. «Der hätte ja auch uns Angehörigen suchen und uns ich weiss nicht was alles antun können!»
Wo Tobi B. heute ist, wollen die Behörden nicht sagen. Auch gegenüber Silvia Gilgen nicht. «Es ist schlimm, nicht zu wissen, wo er ist. Was er macht. Und ob ihm überhaupt leidtut, was er gemacht hat.»
Der zuständige Jugendanwalt bestätigt BLICK, dass im Fall Tobi B. noch kein Urteil gefällt ist. «Solche Verfahren sind eben sehr komplex. Es geht schliesslich um ein Tötungsdelikt mit vielen Hintergründen», sagt Nicola Branschi (43).
Trotzdem: In drei Jahren kein Urteil? «Es mussten Abklärungen zur Persönlichkeit gemacht werden. Unter anderem wurden Gutachten und Berichte zur Person erstellt», so der Jugendanwalt. Er wolle einen möglichst genauen Einblick in die Psyche des Täters haben, «damit ich dann auch voll und ganz hinter meiner Anklageschrift stehen kann».
Der Prozess, der nicht öffentlich sein wird, dürfte dieses Jahr stattfinden. Jugendanwalt Branschi: «Was auch immer das Gericht entscheiden wird: Das Jugendstrafgesetz hält fest, dass bei Erreichen des 22. Lebensjahres alle Schutzmassnahmen enden.»
Tobi B., inzwischen zwanzig, ist also spätestens in zwei Jahren ein freier Mann.
*Namen bekannt