Hundertzehn Mädchen und junge Frauen sprach Daniel H.* (28) auf der Strasse an. Er sicherte ihnen, so die Anklage, Modeljobs «für Schmuckpräsentationen und im Wellness-Bereich» zu. Und genoss es, sich als Modelscout aufzuspielen, von den jungen Frauen angehimmelt zu werden.
Am 4. März 2009 lockt der arbeitslose Koch in Zürich das Au-pair-Mädchen Lucie Trezzini mit dieser Masche in seine Wohnung bei Baden AG und tötet sie grausam. Die lange Suche nach der 16-Jährigen und die brutale Tat bewegten die Schweiz. Nächste Woche, knapp drei Jahre danach, beginnt der Prozess gegen H. In der Anklageschrift, die SonntagsBlick exklusiv vorliegt, hält der Staatsanwalt die abscheulichen Details des Mordes fest.
Er versprach Lucie Geld
Der Aargauer H. kauft am Vormittag jenes Tages an der Langstrasse vier Gramm Kokain, konsumiert ein halbes. «Dabei kamen bei ihm erneut Fantasien auf, wie er sie bereits früher bei der Ansprache von Frauen hatte», heisst es in der Anklageschrift. Auf dem Weg zum Bahnhof entdeckt er Lucie.
Die Schülerin aus Freiburg arbeitet als Au-pair bei einer Gastfamilie in Pfäffikon SZ, verbringt ihre Freizeit in Zürich. Sie telefoniert. Daniel H. unterbricht sie. «Der Beschuldigte gab vor, dass am Nachmittag in Baden eine Schmuckvorführung stattfinden würde und dass sie innert kürzester Zeit 500 Franken verdienen könne», hält der Staatsanwalt fest. H. notiert Lucies Körpermasse auf einem Zettel.
Mit dem Zug fahren die beiden zu H.s Wohnung in Rieden AG. Er trinkt zwei Bier, kokst weiter. Über eine Stunde lang macht er ihr vor, es folge ein Fotoshooting: Er bringt eine Stehleuchte ins Schlafzimmer und platziert ein schwarzes Fixleintuch auf dem Bett.
«Nach längerem Ringen mit sich selbst und stundenlangem Abwägen, ob er die Tat begehen sollte oder nicht, entschloss er sich, Lucie Trezzini umzubringen», heisst es in der Anklage. H. lässt Lucie im Schlafzimmer zurück, holt sich die Gewindestange einer Hantel im Büro, versteckt sie hinter seinem Rücken.
Als er sich Lucie nähert, steht sie auf, wendet sich ihm zu. «Der Beschuldigte schlug die ahnungs- und wehrlose Lucie Trezzini mit mehreren mit voller Kraft ausgeführten Schlägen mit der Hantelstange nieder.» H. hört erst auf, als Lucie reglos am Boden liegt.
Er säuberte den Tatort
Daniel H. holt ein Tranchiermesser aus der Küche und schneidet Lucie die Kehle durch, «um deren Tod sicherzustellen». Mit Bettzeug, Kissen und Frottétuch versucht er, den «massiven Blutaustritt» zu verhindern.
«Nach der Tat versorgte der Beschuldigte die beiden Tatwerkzeuge an ihre ursprünglichen Aufbewahrungsorte und verliess die Wohnung um 18.50 Uhr in der Absicht, seine Eltern noch einmal in Freiheit zu besuchen», heisst es in der Anklage weiter.
Später sagt H. bei der Polizei aus, dass «er unmittelbar vor der Tat in seinem Leben keinen Sinn mehr sah». Er hatte seine Arbeitsstelle verloren, Probleme mit seiner Freundin und sah keine Perspektive. «Durch die Begehung des Tötungsdelikts beabsichtigte er, ins Gefängnis zu kommen, für immer weggeschlossen zu werden.»
Zwischen 19 und 20 Uhr besucht H. seine Mutter, dann seinen Vater. «Den Eltern fiel bei den Kurzbesuchen ihres Sohnes nichts Ausserordentliches auf.» Er kauft sich eine Flasche Martini und ein Sandwich. Gegen 22 Uhr kehrt er in seine Wohnung zurück. Er telefoniert mit seiner Freundin, legt sich schlafen. Neben ihm liegt die Leiche von Lucie am Boden.
Am nächsten Tag kauft H. zwei Flaschen Weisswein. Während er trinkt, beginnt er den Tatort zu reinigen. Er schleift den toten Körper von Lucie ins Badezimmer, legt sie in die Duschwanne, entkleidet sie.
Am nächsten Tag, dem 6. März, putzt er rund vier Stunden lang die Wohnung. «Er versuchte, im Schlafzimmer die Blutspuren auf dem Teppich zu entfernen und die mit Blutspritzern behafteten Wände zu reinigen.»
Vier Tage nach der Tat ermittelt die Polizei den Täter und findet die Leiche von Lucie in seiner Wohnung. Daniel H. wird zur Fahndung ausgeschrieben. Er stellt sich am 9. März in Zürich.
Es kommt heraus: Daniel H. ist vorbestraft. Bereits 2003 schlug er einmal im Kokainrausch eine junge Frau fast tot. Als er Lucie tötete, war er auf Bewährung in Freiheit.
Der Prozess gegen den Lucie-Killer beginnt am 28. Februar und dauert zwei Tage. Die Anklage lautet auf Mord.
Der Staatsanwalt fordert lebenslängliche Freiheitsstrafe und Verwahrung. Er wirft H. vor, dass er die Bewusstseinsbeeinträchtigung durch den Kokain- und Alkoholkonsum am Tattag wissentlich und willentlich herbeigeführt habe. Zudem soll ein Motiv sexueller Art bestanden haben. Daniel H. bestreitet dies.
*Name der Redaktion bekannt