BLICK: Frau T.*, wann haben Sie die traurige Nachricht erhalten, dass Ihre Tochter Isabella (†20) tot ist?
Violeta T. (42): Am Montag kam die Polizei vorbei, weil sie eine Leiche gefunden hatte, sich aber nicht zu 100 Prozent sicher war, ob es Isabella ist. Deshalb haben sie mir DNA abgenommen, um diese vergleichen zu können. Am Mittwoch rief uns die Polizei dann an und bat uns, auf den Posten zu kommen. Dort sagte man uns, dass Isabella das tote Mädchen sei, das im Wald gefunden wurde.
Was hat Ihnen die Polizei gesagt, was mit Ihrer Tochter passiert ist?
Sie konnte uns noch nichts sagen. Isabella ist noch in der Autopsie. Die Todesursache wissen wir noch nicht.
Möchten Sie wissen, was mit Ihrer Tochter genau passiert ist?
Ja, das ist mir sehr wichtig. Damit ich weiss, weswegen und wieso sie auf diese Art und Weise gestorben ist. Was hat sie so Schlimmes in ihrem Leben getan, dass diese Leute sie so quälten? Dass sie sie nicht freigelassen haben? Die hatten kein Recht, dies mit meinem Kind zu machen.
Wann haben Sie Isabella das letzte Mal gesehen oder mit ihr Kontakt gehabt?
Das war am 2. November. Bevor ich zur Arbeit fuhr. Da habe ich mit ihr gesprochen. Es war alles okay. Sie sagte, dass sie am Abend arbeiten müsse. Danach ging sie mit Kollegen in den Ausgang. Von dort hat sie mir geschrieben, dass sie mit dem nächsten Zug am Morgen nach Hause kommen würde. Das war das letzte SMS, das ich von meiner Tochter erhalten habe.
Ihr Handy war danach ausgeschaltet?
Ja. Ich habe nichts mehr von ihr gehört.
Machen Sie der Polizei Vorwürfe, dass sie zu Beginn nicht mehr getan hat?
Am Anfang war die Patrouillenpolizei für den Fall zuständig. Und erst nach drei Wochen wurde die Kriminalpolizei eingeschaltet. Ich denke, es war ein bisschen spät. Die Patrouillenpolizei hatte doch keine Zeit, das zu untersuchen.
Hatten Sie von Beginn weg das Gefühl, dass Ihrer Tochter etwas zugestossen ist?
Ja, ich habe von Anfang an gesagt, dass sie nicht freiwillig so lange weg ist von zu Hause. Sie kann das nicht, ohne sich bei mir zu melden. Und sie hat ihre Hunde über alles geliebt. Sie hatte sich um sie gekümmert wie eine Mutter. Sie weiss, dass ich mir Sorgen mache. Wäre ihr nichts zugestossen, hätte sie sich gemeldet und gesagt: Mami, mach dir keine Sorgen, mir gehts gut. Aber leider Gottes ist es nicht mehr dazu gekommen.
Glauben Sie an einen Unfall oder an ein Tötungsdelikt?
Das können wir nicht beurteilen, bis es eine Bestätigung der Gerichtsmedizin gibt. Es könnte sein, dass sie zu viel von etwas nahm, das ihr nicht gutgetan hat. Oder jemand hat sie umgebracht. Keine Ahnung. Ich kann da nicht spekulieren. Aber ich weiss, dass mein Kind tot ist.
Falls es einen Täter gibt – möchten Sie ihm auf diesem Weg etwas sagen?
(Überlegt) Ja. Dass ich hoffe, dass er so etwas nie mehr jemandem antun kann. Solche Menschen gehören nicht in Freiheit. Solche Menschen gehören hinter Gitter. Weil Isabella wäre nicht die Erste und würde nicht die Letzte sein, der er etwas antun würde. Es sollte nicht sein, dass Eltern diese Schmerzen durchmachen müssen wie ich.
Hoffen Sie, dass sich der mögliche Täter stellt?
Ich möchte wirklich, dass er sich stellt und seinen Fehler zugibt. Aber ich denke, es würde nie dazu kommen. Meine grosse Hoffnung ist jetzt die Polizei. Dass sie diesen Menschen erwischt. Ich möchte Gerechtigkeit für das, was mit meiner Tochter passiert ist. Sollte jemand meine Tochter umgebracht haben, könnte ich ihm nicht vergeben. Da wäre nur Hass in mir.
Wie war Isabella denn als Mensch?
Sie war ein sehr lebendiger Typ. Menschenfreundlich. Sie war gerne im Ausgang, hat gerne gefeiert. Sie hatte unheimlich viele Kollegen. Sie hat das Leben einfach so genossen, wie sie wollte. Aber ich habe ihr immer gesagt, sie sollte ein bisschen bremsen und weniger trinken. Weil diese Leute tun dir nicht immer gut.
Hat Isabella Drogen genommen?
Ja. Nur im Ausgang, sehr wahrscheinlich. Das wusste ich nicht. Erst jetzt, wo sie tot ist, werden mir all diese Dinge erzählt. Aber über eine Tote schlecht zu reden, das geht nicht.
Möchten Sie andere junge Frauen warnen?
Ja, traut niemandem im Ausgang. Geht mit niemandem mit, nur weil ihr ihn zwei, drei Mal getroffen habt. Mit solchen Leuten ist nicht zu spassen. Man kann nie vertrauen – wie meine Tochter das gemacht hat. Sie hat diese Menschen nur zwei, drei Mal im Leben gesehen und war mit denen im Ausgang. Und seit dem Zeitpunkt ist meine Tochter weg. Es muss nicht sein, dass diese Personen schuldig sind. Aber Mädchen sollen ihre Augen aufmachen und wissen, mit wem sie rausgehen.
Machen Sie sich als Mutter Vorwürfe?
Vorwürfe mache ich mir nicht. Weil ich weiss, dass sie ihre Freiheit haben wollte. Ich konnte sie nicht stoppen. Auch wenn ich ihr gesagt habe, dass sie heute nicht gehen soll. Sie war fast 21 Jahre alt. Sie hat mir dann nur geantwortet, dass wir in der Schweiz leben würden, sie alt genug sei und ich ihr nichts verbieten könne.
Isabella hatte zuletzt einen Job bei einer Fast-Food-Kette.
Man war sehr zufrieden mit ihr am Arbeitsort. Sie war pünktlich, fehlte nicht. Bis zu diesem Abend, als sie nach der Arbeit diese Typen getroffen hat und mit ihnen in den Ausgang ging. Was danach passiert ist, weiss ich leider nicht.
Wer gibt Ihnen jetzt Kraft?
Mein Sohn, meine anderen Kinder – aber ich bin trotzdem zerbrechlich. Ich gebe mir Mühe, dass ich nicht so viel weine. Aber das geht nicht.
Falls Isabella Sie hören würde, was würden Sie ihr jetzt sagen?
Dass sie auf mich hätte hören sollen. Dass ich ihr das die ganze Zeit gesagt habe. Und dass ich sie unheimlich liebe. Dass sie immer in meinem Herzen sein wird. Sie war mein Wunschkind. Sie fehlt mir unheimlich. Ich würde alles tun auf dieser Welt, dass ich sie noch einmal umarmen könnte. Noch einmal küssen könnte. Und noch einmal riechen könnte. Aber das wird nicht mehr passieren. Meine Tochter Isabella kommt nicht mehr zurück nach Hause (weint). Jetzt muss ich meine Tochter beerdigen. Das ist unvorstellbar, wenn man das eigene Kind begraben muss. Sie sollten mich begraben, aber nicht sie. Wieso sie? Besser ich wäre es gewesen. Ich hätte mein Leben dafür gegeben, wenn sie dafür hätte leben können. Dass sie dafür glücklich wird. Dass sie ihr Leben leben kann. Und dass sie eine Familie hätte gründen können. Aber leider kommt es nicht mehr dazu. Einen solchen Tod hat meine Tochter nicht verdient.
* Name der Red. bekannt