Das Blutbad von Würenlingen
So zerstörte der Killer das Leben seiner Frau

Semun A. hatte seine Frau Elisa fest im Griff. Er kontrollierte ihr ganzes Leben, bis sie schliesslich dem Regime ihres Mannes entkommen konnte.
Publiziert: 17.05.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 22:39 Uhr
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Semun A. (†36) nahm seiner Frau Elisa jeden Freiraum. Hier posiert das Paar noch glücklich auf dem Hochzeitsfoto.
Foto: Philippe Rossier

Elisa A.* verlor den Vater, die Mutter und ihren Bruder – auf einen Schlag. Ihr eigener Ehemann hat sie erschossen, vergangenen Samstag, kurz vor Mitternacht in Würenlingen AG. Kurz darauf nahm er sich selbst das Leben. «Was sie durchmachen muss, ist unvorstellbar», sagt ein Nachbar der dreifachen Mutter aus Reichenburg SZ. «Wir hoffen, dass sie die Kraft findet, den Schmerz zu überwinden. Um irgendwann wieder glücklich zu sein.»

Wer ist die Frau, die einen Mann heiratete, der sich später als Tyrann entpuppte und für den sie sogar den Kontakt zur eigenen Familie abbrach?

Elisa A. stammt aus einer gutbürgerlichen Familie. Zusammen mit ihrem Bruder und den Eltern wuchs sie im Aargau auf. Die Ferien verbrachte die Familie im Chalet der Grosseltern bei Ennenda GL, das die Eltern später erben. Sie sei ein aufgestelltes Kind gewesen, erzählt eine Bekannte der Eltern. «Sie war so alt wie meine Tochter, die beiden spielten oft im Garten.»

Die Eltern seien stolz auf Elisa gewesen. «Ihre Mutter sprach oft über sie. Bis Semun in ihr Leben kam. Da fiel Elisas Name immer seltener, bis irgendwann kein Wort mehr über sie gesprochen wurde.» Elisas Ehemann habe einen Keil in die Familie getrieben.

Auf ihrem Hochzeitsfoto strahlt Elisa als Braut in Weiss, der Bräutigam hält sie fest im Arm. Diesem engen Griff konnte sich Elisa später nie entreissen. «Semun hat ihr ganzes Leben kontrolliert», sagt ein Nachbar aus Reichenburg. «Sie durfte keine Freunde haben, auch den Kontakt zu den eigenen Eltern hat er ihr verboten.» Das habe sie mitgenommen. «Wenn ich sie auf der Strasse sah, machte sie einen traurigen Eindruck. Aber trotzdem hielt sie zu Semun.»

Isoliert und ohne Kontakt zu Aussenstehenden, habe sich Elisa um die drei Kinder gekümmert. «Sie ging liebevoll mit ihnen um und ist ihnen eine gute Mutter», berichtet eine Nachbarin. «Aber sie war immer gestresst. Weil sie unter ständigem Druck stand, alles für ihren Mann zu erledigen.» Entkommen konnte Elisa nur am Freitag und Samstag, dann arbeitete sie als Verkäuferin in einem Supermarkt. «Das hat ihr sicher gutgetan.»

Wäsche waschen, Einkäufe erledigen, putzen und kochen, die Kinder grossziehen. «Das war alles ihr Job. Und wenn Elisa die Aufgaben nicht genau so erledigte, wie Semun es wollte, hat er sie am Abend angeschrien», sagt die Nachbarin. Der Gatte habe oft auf dem Balkon geraucht. «Aber seiner Frau hat er das strikt verboten.»

Viele Bewohner im Quartier hätten die junge Frau missverstanden. «Sie galt als unfreundlich, obwohl sie sicher ein herzlicher Mensch ist. Auf der Strasse hat sie nie gegrüsst. Als ich sie darauf ansprach, sagte Elisa, dass Semun es verboten hat», erzählt die Anwohnerin.

Schliesslich entkommt die Mutter dem Regime ihres Mannes. Sie ist seit längerem in einer Institution im Kanton Schwyz untergebracht. Die Kinder wurden fremdplatziert. «Es ist sicher schwer, diese Zeit ohne die Kinder durchzustehen», sagt ein Nachbar. «Ich hoffe, sie bekommt professionelle Hilfe – anders kann sie das nicht verarbeiten.» Vielleicht helfe es ihr, «dass sie nie mehr von ihrem Mann tyrannisiert werden wird».

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