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Cedi B. (†21) starb bei Frontal-Zusammenstoss in Oberbuchsiten SO
Totfahrer muss nicht in den Knast!

Es ist bald vier Jahre her, als Cedi B. (†21) beim Frontal-Zusammenstoss in Oberbuchsiten SO starb. Am Dienstag kam es zum Prozess gegen den Lieferwagenleker (55). Er hatte Einsprache gegen den Strafbefehl gemacht. Das Gericht bestätigte diesen nun aber.
Publiziert: 03.12.2019 um 07:26 Uhr
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Aktualisiert: 03.12.2019 um 15:52 Uhr
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Die Angehörigen haben BLICK ihr Einverständnis gegeben, dieses Bild von Cedi B. (†21) zu veröffentlichen.
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Ralph Donghi

Der Unfall frühmorgens im Januar 2016 hat weit über die Region Oberbuchsiten SO hinaus schockiert. Ein Mann (55) kam mit seinem weissen Iveco-Lieferwagen ausserorts plötzlich auf die Gegenfahrbahn – und krachte frontal in den blauen Ford Fiesta von Cedi B.* (†21) aus Egerkingen SO. Der Coop-Lehrling war auf dem Weg zur Arbeit.

Doch dort kam Cedi B. nicht mehr an. Der Aufprall mit dem Lieferwagen war so heftig, dass er im Spital starb. Der Lieferwagenlenker kam mit einem Schock davon.

Glatteis und zu schnell beschleunigt?

Schnell kam der Verdacht auf: Es könnte Glatteis gehabt und der Lieferwagenfahrer zu schnell beschleunigt haben.

Tatsächlich: Der heute 55-jährige, türkischstämmige Schweizer wurde – weil er sich offenbar nicht den Strassenverhältnissen angepasst hatte – später per Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Zu einer Geldstrafe von 6'300 Franken bedingt und einer Busse von 2'200 Franken, die er bezahlen müsste.

Der Lieferwagenfahrer hat Einsprache gegen den Strafbefehl gemacht. Deshalb musste er sich am Dienstag vor dem Gericht in Balsthal SO verantworten.

Das lehnt seine Einsprache aber ab. Der Lastwagenfahrer kommt nicht ins Gefängnis – wird aber wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten Geldstrafe von 6300 Franken sowie einer Busse von 2200 Franken verurteilt. Zudem muss er eine Parteientschädigung von über 9000 Franken zahlen sowie die Verfahrenskosten von mehr als 20'000 Franken übernehmen.

Lieferwagen mit 57 km/h unterwegs

Zuerst sprach vor Gericht in Balsthal ein Gutachter zum Unfall. Er sagt unter anderem, dass die Fahrbahn an jenem frühen Morgen des 18. Januar 2016 vereist war. Dies habe der Lieferwagenfahrer im Lichtkegel «sehen müssen». Er erklärt zudem, dass der weisse Lieferwagen mit bis zu 57 km/h fuhr und der blaue Ford bis zu 43 km/h. Sicher sei auch, dass der Lieferwagen «auf jeden Fall auf der Gegenfahrbahn» mit dem Ford kollidierte.

Der Lieferwagenfahrer sagt vor Gericht, dass er wegen des Unfalles sechs Monate nicht habe arbeiten können. Er sei in psychologischer Behandlung gewesen. «Ich muss immer wieder an diesen Vorfall denken», so der Angeklagte.

Er arbeite heute noch für die gleiche Firma, sei aber nicht mehr in der Lage, die Unfallstrecke zu fahren. Er sei froh, dass seine Familie hinter ihm stehe.

«Es tut mir sehr, sehr leid»

Er habe Kontakt mit der Mutter von Cedi B. aufnehmen wollen, aber: «Sie ist noch nicht bereit.» Er entschuldigt sich vor Gericht bei den Angehörigen: «Es tut mir sehr, sehr leid. Ich möchte der Familie mein herzliches Beileid aussprechen.»

Dann weint der Beschuldigte leise. Er frage sich immer wieder: «Was habe ich falsch gemacht?» Es sei sein dritter Winter auf dieser Strecke gewesen, und er habe gedacht, dass die Strasse geräumt sei.

Er gibt jedoch zu, seinen Automat ausgangs Oberbuchsiten beschleunigt zu haben. «Da passierte es schon», so der Beschuldigte. Er wisse nicht, wieso er auf die Gegenfahrbahn gekommen sei, «vielleicht wegen eines Eisstücks, das unters Rad kam».

Cedi B. war nicht angegurtet

Dann spricht ein Mann vom Strassenunterhaltsdienst. Er sagt, er habe vor dem Unfall die Strecke vom Schnee geräumt und behandelt. «Es war sauber, hatte aber natürlich noch Stellen, wo es glatt war.» Man habe die Mittellinie zwar sehen können. Aber: Er selber sei mit seinem tonnenschweren Fahrzeug lediglich mit 20 bis 30 km/h gefahren.

Die Verteidigerin des Beschuldigten sagt: Weil Cedi B. nicht angegurtet gewesen sei, hätten laut Gutachten der Airbag und die Gurten ihre Funktion «nicht erfüllen» können. Ein Studie sage, dass – wenn man eine Sicherheitsgurte trage – «die Überlebenschance 45 Prozent» betrage und mit Airbag «50 Prozent».

«Überlebenschancen wären bei 100 Prozent gewesen»

Der Anwalt der Opferfamilie kontert: «Die Überlebenschance wäre 100 Prozent gewesen, wenn der Beschuldigte angemessen gefahren wäre!» Hier werde versucht, den Täter zum Opfer zu machen. Dabei habe der Beschuldigte beschleunigt, sei auf die Gegenfahrbahn gekommen und habe jemanden getötet. Er alleine sei für den Tod von Cedi B. verantwortlich.

Da nützt es auch nichts mehr, dass die Verteidigerin vom Angeklagten zuvor noch beim Gericht beantragt, das Blut von Cedi B. auf allfälligen Alkohol oder andere Rückstände zu untersuchen. Die Richterin stoppt diesen Versuch, da erwiesen ist, wer auf die Gegenfahrbahn kam: «Eine Annahme von Fahrunfähigkeit (Anm. Red.: bei Cedi B.) hat keinen Platz.»

«Absurde Schutzbehauptung»

Der Anwalt der Opferfamilie ergänzt, dass es den Hinterbliebenen nach wie vor nicht gut gehe. «Sie haben es noch nicht verarbeitet.» Zudem würde sie das Verhalten des Beschuldigten beschäftigen. «Weil er seine strafrechtliche Verantwortung nicht tragen will.» Er habe die Strassenverhältnisse gekannt, sei laut ersten Aussagen bei der Polizei an jenem Morgen mit 65 km/h gefahren, wo andere mit Schritttempo unterwegs gewesen seien. «Alles andere ist eine absurde Schutzbehauptung.» Er plädiert für eine erneute Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung.

Die Verteidigerin des Angeklagten fordert für ihren Klienten einen Freispruch. Der Beschuldigte bleibt beim letzten Wort dabei, dass er nichts falsch gemacht habe.

Genützt hat ihm das aber nicht – das Gericht bestätigt den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft. Dem Verurteilten steht aber der Weg ans Obergericht noch offen.

* Name der Redaktion bekannt

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