Auto-Partymeile «Fressbalken»
Ich zeig euch meins ...

Drei Uhr nachts. BLICK-Reporter Ralph Donghi biegt zur Autobahn-Raststätte Würenlos ein. Überraschung! Der Parkplatz ist rappelvoll. Was geht hier ab?
Publiziert: 21.07.2008 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 13:14 Uhr
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Von Ralph Donghi

Der Ausgang am Samstagabend in Zürich war tipptopp. Jetzt gehts mit dem Auto zurück ins Mittelland. Doch auf der Höhe Würenlos AG hängt er über der A 1. Der «Fressbalken». Angezogen vom Licht schwenkt der Wagen fast automatisch raus auf die beliebte Autobahn-Raststätte. Denn es ist bekannt: Dort gibt es Gipfeli. Und Kaffee, der einen hoffentlich ohne Sekundenschlaf sicher nach Hause bringt.

Alle Parkplätze besetzt. Um drei Uhr morgens? Komisch. Darum: Parkieren hinter einem LKW. Was ist hier bloss los? Kaum bin ich ausgestiegen und habe als BLICK-Reporter instinktiv den Fotoapparat aus dem Kofferraum geholt, kommt ein junger Mann daher. «Was machst du hier?», fragt er aggressiv mit osteuropäischem Akzent. «Ich bin vom BLICK. Und was machst du hier?» Seine Antwort: «Du bist sicher ein Polizist und schreibst Autonummern auf!»

Als er den Presseausweis sieht, beruhigt er sich: «Okay. Aber ich gebe kein Interview. Sonst schreibst du noch, ich sei ein Raser.» Der junge Mann geht zurück zu seinem BMW M 3, zündet sich eine Zigarette an, öffnet eine Dose Red Bull.

Rexhaj (27) und Visar (23) aus Freiburg sind freundlicher. Die Studenten waren in der Disco Rinora 4 in Rümlang ZH, haben sich im Tankstellen-Shop ein Sandwich gekauft. Wissen sie, was los ist? Rexhaj: «Da, Richtung Ausfahrt! Die rund 200 anderen Albaner sind nur gekommen, um sich getunte Autos anzuschauen. Wäre nicht Ferienzeit, wären noch viel mehr da.»

In dem Moment fährt ein oranger Lamborghini an der mit Bodenwellen ausgerüsteten Tankstelle vorbei. Visar: «Geh ihm nach.»

Tatsächlich. Weiter hinten reiht sich Auto an Auto, Zuschauer an Zuschauer. Der Anblick erinnert an die US-Actionfilme «The Fast and the Furious», wo sich aufgemotzte Boliden gefährliche Rennen liefern. «Tokyo Drift» in Würenlos!

Es hat sich schon rumgesprochen, dass ein Reporter unterwegs ist. «Schreib ja nicht, dass hier Rennen stattfinden», ruft ein Jugendlicher. «Die Polizei ist nur selten hier. Und Unfälle gibt es auch keine.»

Plötzlich quietschen die Reifen eines schwarzen BMWs. Ein Raunen geht durch die Jugendlichen. Sie sitzen auf Steinen oder stehen einfach da. Die Arme verschränkt, verfolgen sie ständig, was für Autos sich den Weg zur Ausfahrt bahnen.

Jetzt kommt ein Wagen im Schritttempo daher. Ein silberner BMW 330. Seine Türen ragen in die Luft. «Cool», ruft Bashkim (25). Der Abdichter aus Turgi AG kommt oft hierher, «um Autos anzuschauen».

Der silberne BMW parkiert. Am Steuer sitzt Avni (22). Der Konstrukteur aus Nussbaumen AG lässt sich mit seinem Beifahrer Rami (21) vor seinem ganzen Stolz ablichten. Auch sie haben im Rinora 4 abgefeiert. Die Flügeltüren? «Ich habe sie selbst montiert», sagt Avni. «4000 Franken haben sie gekostet.» Und der BMW? «35 000 Franken. Ich habe hart dafür gearbeitet.» Die beiden steigen wieder ein und drehen nochmals eine Runde. Das können sie. Denn anstatt auf die Autobahn können sie vorher rechts abbiegen und nochmals um die Tankstelle herum fahren.

Auf dem Parkplatz haben sich in der Zwischenzeit rund 20 Jugendliche um den Lamborghini versammelt. Einige schauen böse und drehen sich ab, als sie den Fotoapparat sehen. Der Lenker des Wagens will nichts sagen. Er hat den Lamborghini «nur gemietet».

Das ist der Kosmetikerin Diona (19) aus Bern egal: «Die Karren hier sind einfach mega.» Sie war mit ihrem Kollegen Enis (22) und ihrer Kollegin Lory (18) in der Disco Boleros in Buchs ZH. Immer noch top gestylt, wollen sie «noch etwas die Auto-Show geniessen».

Eine junge Frau: «Zum Glück sind keine Familien mit Kindern unterwegs.» Ihr Begleiter beruhigt sie: «Die Autofahrer sind ja nicht betrunken und wissen schon, was sie tun. Und sie geben nur beim Anfahren und dann bei der Ausfahrt etwas Gas.»

Genau das ärgert die Chauffeure, die in ihren LKWs schlafen wollen. «Ich hoffe, dass dieser Saulärm bald vorbei ist», jammert einer zu seinem Kabäuschen raus.

Doch die morgendliche Auto-Tuning-Show ist noch nicht vorbei. In dem Moment will auch niemand von Sandro (16) reden, der kürzlich in der Nähe in die Limmat stürzte und starb.

Auch nicht Özgür (23), der vor seinem C-Klasse-Mercedes im Rasen sitzt. «Wir hängen nur rum und geniessen die Aussicht», grinst der Mech aus Niedergösgen SO. Seinen Wagen hat er geleast und 10 000 Franken angezahlt. «Hier Runden drehen ist nicht so mein Ding.»

Im Shop hat sich längst eine Schlange gebildet. Verkäuferin Susuri (32) muss immer wieder Bleche mit Frischback-Gipfeli in den Ofen schieben. Da bleibt keine Zeit zum Ausruhen.

Das tun auch Gjokè (23) und sein Cousin Flavo (21) nicht. Völlig aufgezogen tanzen der Autolackierer aus Frick AG und der Lagerangestellte aus Reinach AG um Flavos 5600-Franken-Occasions-Smart herum. Flavo zeigt stolz seine Dolce & Gabbana-Uhr. «Ich habe dafür einen Golf VR 6 daheim», lacht Gjokè. «er ist nur noch nicht fertig.» Dann setzen sie sich in den Kleinstwagen und tuckern weg.

Heimwärts will jetzt auch die KV-Lehrtochter Lisa (19) aus Wohlen AG. Auch sie hat abgetanzt. «Und hier ging die Party weiter», freut sich Lisa und steigt bei Kollegen ins Auto.

Sie sind kurz nach 5 Uhr die letzten Autofans, die die Raststätte verlassen. Eine Angestellte ist noch zu sehen. Sie räumt Abfallsäcke weg. Kopfschüttelnd.

Auf dem Parkplatz steht nur noch ein silberner Mercedes. Im geöffneten Kofferraum sitzen Jeton (24) und Xhevdet (24) aus Frick AG. Sie essen Gipfeli und plaudern. «Als wir jünger waren, kamen wir auch oft hierher, um getunte Autos anzuschauen», sagt Xhevdet. «Doch mit dem Alter wird man eben auch ruhiger. Und dann sagen einem solche Partys wie eben nichts mehr.»

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