Plötzlich leere Regale in den Lebensmittelläden: Seit den Panikkäufen vor dem ersten Lockdown im Frühling 2020, als Mehl, Hefe und WC-Papier mancherorts kaum mehr erhältlich waren, ist das Szenario nicht mehr so fremd. Jetzt droht der Ukraine-Krieg Lieferketten wieder ans Limit zu bringen.
Die Lösung: sich selbst zu versorgen. Joscha Boner (28) und seine Partnerin Désirée Kuhn (27) kennen sich darin bestens aus. Sie leben von dem, was sie selber anbauen – und das ist ziemlich viel, wenn man sich auf ihrem Hof in Uerkheim AG umsieht. «Wir haben drei Hektar Land gepachtet», sagt Joscha Boner zu Blick. Neben Kohl, Kartoffeln, Kürbis und Zucchetti sind auch reichlich Beeren, Nüsse und eine Vielzahl an Kräutern und Wurzeln in ihrem Garten zu finden.
Selbstversorgungs-Boom wegen Ukraine-Krieg?
Im Sommer leben sie zu 90 Prozent selbstversorgend, «im Winter ist es dann um einiges weniger», so Kuhn. «Noch», ergänzt Boner und fügt an: «Wir gehen immer mehr in Richtung Autarkie.» Lebensmittel kaufen sie selten ein – und wenn, dann beim Bio-Bauern in der Nähe oder in «Unverpackt»-Läden. So kaufen sie noch Getreide, Öl oder Genussmittel wie Schokolade ein. Diese Sachen selbst herzustellen, wäre zu aufwendig.
Komplett autark zu leben, sei aber gar nicht so einfach. «Nur schon, wenn man in eine Mietwohnung zieht, kann man die Art der Heizung nicht selbst bestimmen», so Boner. Dass sie noch mit Gas heizen müssen, ist ihnen ein Dorn im Auge. Deswegen hat der gelernte Chemielaborant Solarpanels montiert.
Doch auch die Fläche und die nötige Erfahrung müsse man haben, um selbstversorgend leben zu können. «Wir lernen jeden Tag dazu», so Boner. Um seine Erfahrungen zu teilen und seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, bietet das Paar mit dem Verein Perma Terra Kurse in Biodiversität und Selbstversorgung an. Und die boomen. «Wir merken, dass wegen der Angst vor Ressourcen-Knappheit mehr Leute in den Selbstversorgungs-Kurs kommen», so Kuhn.
Sie stellen gar ihr eigenes Waschmittel her
Ressourcen nachhaltig zu nutzen oder selber zu produzieren, das setzen sie konsequent um. So kaufen die beiden Möbel und Kleider secondhand und produzieren gar ihr eigenes Waschmittel und verschiedene Heilmittel. «Aus all unseren Kräutern stellen wir Medizinprodukte her, darunter viele Heilsalben», sagt Kuhn.
Auch in der Mobilität schränken sie sich ein, ein Auto haben sie nicht. «Wir bewältigen das meiste zu Fuss oder mit dem Velo», sagt die gelernte Drogistin. Auch Ferien seien selten. «Wenn wir in die Ferien fahren, dann eher mit dem Zug», sagt Boner. Auf die Frage, was es brauche, um selbstversorgend leben zu können, sagt sie: «Den Mut, um etwas selber anzufangen, und die Geduld bei der Umgewöhnung.»