20-Jährige über Likes, Retuschen und perverse Anmachen
«Die Bilder sollen möglichst natürlich aussehen»

Eine neue Studie zeigt: Junge Frauen bedienen auf Instagram alte Rollenbilder. Auch die 20-jährige Liane. Mit SonntagsBlick spricht sie über die Studienergebnisse, wieso sie freizügige Fotos von sich postet und warum sie sich nicht als Feministin bezeichnet.
Publiziert: 09.02.2019 um 23:49 Uhr
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Aktualisiert: 15.02.2019 um 17:46 Uhr
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Eine neue Studie zeigt: Junge Frauen zeigen sich auf Instagram oft so, wie alte Klischees es von ihnen erwarten. Schön, schlank und freizügig, mit einem Interesse für Beauty, Mode und Ernährung.  Auch die 20-jährige Liane Rychener zeigt sich auf Instagram gerne körperbetont.
Aufgezeichnet von Dana Liechti

Das blonde Haar fällt über ihre Schultern, das Kleid betont ihren schlanken Körper. So zeigt sich Liane Rychener auf Instagram am liebsten. Dafür bekommt die 20-Jährige schon mal mehr als 300 Likes. Online sind nun mal besonders Frauen erfolgreich, die klassischen Schönheitsidealen entsprechen.

Dies zeigt auch eine neue Studie der deutschen MaLisa Stiftung über die Selbstinszenierung junger Frauen auf Social Media. Dabei erstaunt es, dass gerade sie ihr Aussehen kritisch beurteilen. Da wird bearbeitet, was das Zeug hält. 
21 Prozent der Mädchen schummeln ihre Brüste grösser, ähnlich viele retuschieren Hüften und Taille schlanker. Abgeschaut haben sie das bei den Influencern, den grössten Vorbildern vieler Teenager. Mädchen, die ihnen folgen, bearbeiten ihre Bilder stärker und legen – so die Studie – grösseren Wert ­darauf, schlank zu sein. Zudem ­ahmen sie Influencer-Posen nach – gekreuzte Beine, in S-Form gebogener Körper, Hand im Haar.

Hinzu kommt: Während junge Männer auf Social Media ein breites Themenspektrum abdecken, bewegen sich junge Frauen oft in Welten, auf die sich emanzipierte Frauen eigentlich nicht gern reduzieren lassen: Beauty, Mode, Ernährung.

Liane Rychener folgen auf In-stagram fast 2000 Personen. Damit verdient die Zahnarztassistentin zwar kein Geld – in der Schweiz braucht es rund 10'000 Follower, damit sich ein Profil finanziell 
lohnt –, aber sie kann sich als 
Micro-Influencerin bezeichnen.

In der echten Welt ist Liane eine offene junge Frau, die für ein Porträt auch ganz unzimperlich auf ­einem regennassen Stuhl Platz nimmt und dem Fotografen beim Tragen seiner Ausrüstung hilft. Bei ihrem Auftritt auf Instagram hingegen überlässt sie nichts dem Zufall.

Mit SonntagsBlick spricht sie über die Ergebnisse der MaLisa-Studie. Und sie erklärt, weshalb sie freizügige Fotos von sich postet – und warum sie sich nicht als Feministin bezeichnet. 

«Wenn ich Bilder auf Instagram poste, achte ich auf die perfekte Pose. Im Hinterkopf habe ich immer, dass es möglichst natürlich aussehen sollte. Ich habe mich auch schon extra geschminkt oder schön angezogen für ein Bild. Ich mache immer viele Fotos.

Wenn man auf dem Handy-knopf bleibt, gibt es automatisch ganz viele, sicher 200. Aus diesen wähle ich dann das beste aus, lege einen Filter drauf und fertig. Das geht ganz schnell. Meine Posen schaue ich von niemand Konkretem ab. Man hat aber sicher Eindrücke davon, wie die anderen das machen, wohl eher unbewusst.

Die Beine zu überkreuzen ist immer gut. Ich bearbeite meine Bilder nur mit den Filtern von Instagram und retuschiere nichts weg, das finde ich nicht gut. Meine Themen auf Instagram sind Sport, Ernährung und Mode. Die kommen immer gut an.

Ich möchte, dass meine Follower denken, dass ich unternehmungslustig bin und viel reise. Für Bilder, auf denen man mein Gesicht oder meinen Körper sieht, bekomme ich am meisten Likes. Am wenigsten Likes bekomme ich für Fotos mit Freunden. Wenn ich viele Likes bekomme, freut es mich und gibt mir Selbstvertrauen.

Wenn ich nicht so viele Likes bekomme, stört mich das schon. Aber meiner Meinung nach kommt es auch da­rauf an, ob man das Foto am Freitag oder am Sonntag postet. Ich habe auch schon Bilder wieder entfernt, weil sie nicht so viele Likes bekommen haben.

In meiner Haut fühle ich mich wohl. Aber ich würde kein Bild posten, auf dem ich mir nicht gefalle. Und ein Bild zu posten, auf dem ich ungeschminkt bin, würde mich Überwindung kosten. Ich glaube nicht, dass ich etwas dafür kann, wenn Mädchen sich nicht schön fühlen, weil ich mich immer gut aussehend zeige. Ich bin eine von Millionen, die das machen, darum sehe ich mich nicht in der Verantwortung, ich könnte eh nichts verändern.

Dass ich das Klischee der Frau bediene, die einfach schön aussieht und sich für Mode, Beauty und Ernährung inte­ressiert, stört mich nicht. Ich bin keine Feministin. Ich finde, Frauen sind den Männern heute gleichgestellt. Mir ist bewusst, dass ich einen Stereotyp verkörpere. Aber ich finde das gut, jeder soll sich so zeigen, wie er möchte! Klar poste ich ab und zu freizügige Bilder, aber was macht man nicht alles für ein gutes Foto?

Manchmal habe ich schon Angst, dass die Leute mich auf mein Aussehen reduzieren, aber es ist ja nur Instagram.

Die Menschen, die mich kennen, kennen meinen Charakter. Ich bekomme selten nega­tive Reaktionen, aber manchmal gibt es unheimliche Typen, die mir anzügliche Dinge in Privatnachrichten schreiben.

Einer schickte mir auch ständig Anfragen mit wechselnden Profilen und wollte mich unbedingt treffen. Das beschäftigt mich dann schon einen Moment lang, und ich spreche mit meinen Freundinnen darüber, aber dann ist es wieder gut. Es gibt auch Kommentare, die ich gerade lösche, zum Beispiel perverse Anmache.»

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