Die Argumente, aus Klimaschutz-Gründen wenig oder gar kein Fleisch zu essen, stossen bei Konsumenten in der Schweiz grösstenteils auf taube Ohren: Auch letztes Jahr stieg der Fleischkonsum laut dem Dachverband Proviande weiter an. 52,44 Kilo Fleisch verspeisten Herr und Frau Schweizer 2014 im Durchschnitt. Das sind 460 Gramm oder 0,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Geändert haben sich höchstens die Vorlieben in der Schweiz: Favorit ist nach wie vor Schweinefleisch, beim Geflügel gibt es aber einen regelrechten Boom.
Die Schweiz ist damit weit entfernt davon, ein Land der Vegetarier zu werden. Nur jeder Fünfzigste gab 2014 bei einer Umfrage des GfK-Instituts an, niemals Fleisch zu essen. Fast Dreiviertel sagten, sie würden mindestens drei- bis viermal pro Woche Fleisch essen. Jeder Fünfte gab an, das täglich einmal oder mehrmals zu tun.
Immer mehr SUVs
Auch beim Thema Auto gibt es in der Schweiz keinen Öko-Boom. Jeder zweite Einwohner hat inzwischen ein Auto, Tendenz steigend. Auch wenn die neuen Motoren immer effizienter sind: Der Trend geht in der Schweiz eindeutig hin zu Diesel- und Allradfahrzeugen. 2014 wurden laut einer einer Statistik von «auto-schweiz« insgesamt 301'942 Autos neu zugelassen, 38,5 Prozent davon waren 4x4-Fahrzeuge.
Heute gibt es – vor allem bei den kleinen und mittleren SUV – immer mehr Modelle, die auch ohne Allradantrieb erhältlich sind. Andererseits gibt es auch immer mehr «normale» Limousinen und Kombis mit Allradantrieb.
Fukushima-Effekt verpufft
Auch in der Politik rücken Öko-Themen immer mehr in den Hintergrund. Noch vor vier Jahren drückte der Bundesrat die Energiewende von Umweltministerin Doris Leuthard (CVP) durch das Parlament. Als Steigbügel diente der Atomunfall in Fukushima. Dieser Effekt ist heute verpufft. Das Öl ist so günstig wie lange nicht mehr. Und die AKW laufen immer noch.
Es gibt auch keinen ökonomischen Druck, das Energiesystem umzubauen. Seit 15 Jahren erwärmt sich die Erde kaum mehr weiter, obwohl in dieser Zeit der Ausstoss an sogenannten Klima-Gasen deutlich angestiegen ist.
Trotzdem sollen in der Schweiz nach dem Willen des Bundesrates Strom, Gas und Öl weiter teurer werden. Das Volk, das sparen soll, konnte sich bisher nicht zur staatlich verordneten Energiewende äussern.
Bald Abstimmung über Energiewende?
Jetzt zeichnet sich eine Wende ab: Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse fordert einen «Marschhalt» für die Energiestrategie 2050 von Umweltministerin Leuthard. Ziel müsse es sein, möglichst schnell einen Volksentscheid herbeizuführen, sagt Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl heute im «Blick».
Wie das Resultat einer solchen Abstimmung aussehen könnte, zeigte Anfang Monat die Abstimmung über die «Energie statt Mehrwertsteuer»-Initiative der Grünliberalen: Das Volk zerfetzte die erste Initiative der Öko-Partei: Nur gerade acht Prozent der Wähler stimmten am 8. März mit Ja. Damit halten die Grünliberalen einen Negativrekord in der Schweizer Abstimmungsgeschichte.
Grüne auf der Verliererspur
Auch die Grüne Partei ist ein halbes Jahr vor den Eidgenössischen Wahlen am 18. Oktober 2015 auf der Verliererspur. Die Umweltpartei verlor in Baselland Anfang Februar ein Drittel ihrer Landratssitze. In Luzern waren es am letzten Wochenende zwei von sieben Sitzen.
Grünen Co-Präsidentin Regula Ritz gibt dem Franken-Entscheid der Nationalbank die Schuld am Fehlstart ins Wahljahr. «Seither steht die Wirtschaftspolitik im Vordergrund, was den Bürgerlichen hilft», sagt Rytz heute in der «NZZ». Umweltpolitische Themen seien zweitrangig geworden, gibt die Politikerin zu.
In Zürich zittert der grüne Justizminister Martin Graf schon jetzt. Seine Wiederwahl am 12. April ist nicht gesichert. Graf wurde wegen der «Carlos»-Affäre national bekannt. Die Statistik zeigt, dass die Kantonsratswahlen in Zürich jeweils verlässliche Schlüsse liefern, wie die Parteien ein halbes Jahr später auf nationaler Ebene abschneiden. Der Öko-Boom macht auch politisch eine Pause.