Er hält die Zügel fest in der Hand und die zwei Alpaka-Hengste trotten auf ihrem Spaziergang auf dem Balmberg brav neben Martin Herrmann (58). «Diese Tiere sind leichter zu führen als Mörder», sagt der Mann mit Glatze und Schnauz – seine Markenzeichen!
Herrmann ist der berühmteste Gefangenen-Transporter der Schweiz. Schon seit 14 Jahren arbeitet er für die Kantonspolizei Solothurn und immer wieder ist sein Bild im BLICK. Stets neben Mördern, Brandstiftern oder Geiselnehmern, die er zum Gericht führt.
Nach einem harten Arbeitstag freut er sich auf sein liebstes Hobby. Mit Frau Barbara (51) hält er 22 Alpakas und bietet seit fünf Jahren Trekkingtouren an. «Die Tiere machen einfach Freude», sagt Herrmann. «Und hier oben kann ich richtig abschalten.»
Der gelernte Autoersatzteilverkäufer sieht im Jahr 2000 das Inserat für den Job als Gefangenen-Transporter. «Das hat mich gereizt», sagt er. Er bewirbt sich und bekommt die Stelle.
Im gleichen Jahr holt er seinen ersten Mörder in der Zelle ab. «Es war der Dulliker Maskenmörder, der zwei Leute erschossen hatte», erzählt Herrmann. «Bei mir verhielt er sich ganz ruhig.»
In der Regel laufe ein Transport unspektakulär ab. «Ich erhalte einen Auftrag, fahre mit meinem VW-Transporter zum Gefängnis und hole den Täter ab», so der 58-Jährige. Das Personal filzt den Gefangenen zuvor.
Eine Pistole trägt «Tinu» Herrmann nicht. «Das wäre zu gefährlich, falls einer danach greifen würde», sagt er. Nur Pfefferspray und Schlagstock hat er dabei.
«Vor dem Transport stelle ich mich vor, gebe dem Gefangenen aber nur die Hand, wenn er das will», verrät der Ex-Hobby-Boxer und Vater von drei erwachsenen Kindern. «Dann sage ich ihm kurz, was passiert und dass es keine Probleme geben wird.»
Herrmann muss entscheiden, ob er den Täter an Händen oder Füssen fesselt. Gespräche gebe es selten. «Einer sagte mir mal, ich sei nett. Einige sind froh, muss ich im Gerichtssaal sein, dann sind sie nicht allein», sagt er und stellt klar: «Ich bin kein Mann der Kuscheljustiz. Und ich habe kein Mitleid, wenn Mörder jammern.»
Er habe bestimmt schon 10 000 Gefangene transportiert. Einen kannte er sogar privat. Aber: «Da bleibe ich Profi.»
Zwischenfälle sind selten. «Einmal», sagt Martin Herrmann, «ging mir einer nach dem Urteil im Gang an die Gurgel. Doch der war schnell gebodigt.» Ein anderer sei nach einem Zahnarzttermin davongerannt – und habe nach ein paar Hundert Metern aufgeben müssen.
Kleinkriminelle oder Ausschaffungshäftlinge verhielten sich eher emotional, sagt Herrmann. Ein Transport bleibt ihm speziell in Erinnerung: «Bei einer Ausschaffung in Zivil wurde ich beim Einladen in den Flieger mit dem Häftling verwechselt.»
Im Büro hat Tinu Herrmann die vielen Zeitungsartikel mit seinem Konterfei aufgehängt. «Es stört mich nicht», sagt er. «Es ist lustig.» Manchmal werde er angesprochen und gefragt: «Sie sind doch der mit den Mördern?»
Das ruft doch nach einer Filmrolle? Herrmann grinst: «Beim Bestatter würde ich mitspielen. Aber nur als Gefangenen-Transporter!»