Leyla Kanyare (41) floh aus Somalia in die Schweiz
«St. Gallen ist mein Zuhause»

Leyla Kanyare (41) konnte 1991 vom Bürgerkrieg in Somalia in die Schweiz flüchten. Nun führt sie mit ihrer Familie in Thal SG ein selbstständiges und integriertes Leben. Mithilfe des Somalischen Integrationsvereins der Ostschweiz (SIVO) engagiert sie sich für die Integration ihrer Landsleute.
Publiziert: 25.06.2013 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:24 Uhr
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Leyla Kanyare (41) mit Hanan (21), Sabir (6) und Safa (16, v. r.).
Foto: Toini Lindroos
Von Irène Harnischberg

«Eines Nachmittags im Jahr 1991 kamen wir in Mogadischu nach Hause, und eine Bombe schlug ein», sagt Leyla Kanyare. Sie erinnert sich daran, als wäre es gestern gewesen. Die 41-jährige Somalierin sitzt auf dem Sofa in einer Fünf-Zimmer-Wohnung in St. Gallen.

Die damals 18-Jährige packte ihr fünf Monate altes Baby und flüchtete nach Kenia. Ihren Mann, einen Berater des ­regierenden Präsidenten, und die zweijährige Tochter traf sie erst in Kenia wieder. Leyla Kanyare stammt aus einer wohlhabenden Familie. «Wir konnten nichts mitnehmen. Das Einzige, was mir blieb, war eine Goldkette.» Mit dem Verkauf dieser Kette in Kenia konnte die Familie die Flucht finanzieren.

Der Schlepper brachte sie nach Italien. «Wir wollten eigentlich nach London, aber der Schlepper sagte, der kürzeste Weg führe in die Schweiz.» Von der Empfangsstelle in Genf kam die Familie in ein Ostschweizer Durchgangsheim. «Von da an hatten wir einfach nur Glück», sagt Leyla Kanyare. In Goldach SG lebte die mittlerweile fünfköpfige Familie in einer Drei-Zimmer-Wohnung. «Unsere Nachbarn, die wie ich Englisch sprachen, haben uns sehr geholfen.»

«Hier ist mein Zuhause»

Die Somalierin meint nachdenklich: «Im ersten Jahr in der Schweiz dachte ich, ich überlebe es nicht, ich wollte wieder nach Hause.» Doch der Bürgerkrieg dauerte an. Die Familie zügelte 1994 nach Thal SG. Kanyare begann Deutsch zu lernen. «Ich wollte nicht, dass meine Kinder für mich übersetzen müssen.»

Ab 1999 war die gelernte Krankenschwester als Altenbetreuerin bei Pro Senectute beschäftigt. Seit 2005 arbeitet sie als Dolmetscherin und Kulturvermittlerin. Ihr Mann ist in einer Firma in Aarau als Lagerist beschäftigt. «Seit vielen Jahren finanzieren wir unser Leben selber und sind selbständig.» Heute hat das Paar sechs Kinder. Drei kamen in St. Gallen auf die Welt, alle sprechen deutsch und sind bestens integriert. Der sechsjährige Sabir geht in den Kindergarten, die 16-jährige Safa beginnt im Sommer eine Lehre als Coiffeuse, und der 18-jährige Habib ist an der Kantonsschule. Zwei Töchter arbeiten als medizinische Pra­xis­assistentinnen, eine im Büro.

Sie engagiert sich für die Integration von Landsleuten

«Ich habe viele Chancen bekommen, jetzt möchte ich auch etwas zurückgeben», sagt Leyla Kanyare. 2005 gründete sie den Somalischen Integrationsverein der Ostschweiz (SIVO). «Heute haben es meine Landsleute schwerer. Vielen von ihnen geht es nicht gut. Für viele ist es nicht einfach, sich zu integrieren.»

Leyla Kanyare dagegen hat sich an das Leben in der Schweiz in den vergangenen 22 Jahren sehr gewöhnt. «Und ich habe von den Schweizern viel gelernt.» Zurück nach Somalia möchte sie nicht mehr. «Hier ist mein Zuhause.» Zudem lebt kein einziges Familienmitglied mehr in Somalia.

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