Die Menschen in der Schweiz essen pro Kopf jedes Jahr 1,4 Kilogramm Spargel. (Symbolbild)
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Lehrabschluss
Angst vor der «Generation Corona»

Der erste Berufsverband verzichtet auf praktische Prüfungen seiner Lehrlinge, Dutzende könnten folgen. Gewerkschaften warnen vor sinkenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Publiziert: 21.02.2021 um 12:06 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2021 um 14:24 Uhr
Auszubildende Kinderbetreuerinnen müssen wegen Corona nicht zur praktischen Prüfung antraben.
Foto: Keystone
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Simon Marti

Zehntausende Lehrlinge absolvieren bis zum Sommer ihre Abschlussprüfungen. In vielen Berufen ist der Ablauf dieser wich­tigen Examen offen – obwohl der Bundesrat erste Lockerungen der Corona-Mass­nahmen für Anfang März in Aussicht gestellt hat.

Gerade im praktischen Teil der Prüfungen, wo angehende Berufsleute ihr Können ­demonstrieren, stellt sich die Frage einer covidkonformen Umsetzung.
Nun erklärte Savoirsocial, die Dachorganisation der sozialen Berufe, einstweilen auf die praktische Prüfung zu verzichten. Künftige Betreuerinnen und Betreuer in Kinder­tagesstätten etwa erhalten demnach die praktische Note von ihren Betreuerinnen und Betreuern im Betrieb.

30 Berufe haben eine alternative Prüfung beantragt

«Die Auszubildenden waren im letzten Jahr wegen der Corona-Pandemie überdurchschnittlich gefordert», sagt Franziska Zimmerli, Geschäftsführerin von Savoir­social. «Sie haben während ihrer Ausbildung gezeigt, dass sie flexibel, anpassungsfähig und belastbar sind. Wir sind deshalb überzeugt, dass die Auszubildenden im Sozialbereich bestens auf ihre berufliche Laufbahn vorbereitet sind.» Das ­alternative Qualifikationsverfahren sei von der Branche gewünscht und breit abgestützt. «Der Abschluss wird kantonal sowie regional anerkannt und wird demnach auf dem Arbeitsmarkt kein Pro­blem darstellen.»

Weitere Branchen könnten folgen. Rund 30 Berufe haben beim Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBFI) vorsorglich eine alternative Prüfung der praktischen Arbeit beantragt, erklärt dessen Sprecherin Tiziana Fantini, darunter Köchinnen und Köche aus der momentan stillgelegten Gastronomie, aber auch Logis­tiker und Landmaschinenmechaniker.

«Das ist aber nur als Rückfall­position beantragt worden für den Fall, dass die Prüfungen in einem Kanton trotz aller organisato­rischen Massnahmen nicht regulär umgesetzt werden können», betont Fan­tini. Die reguläre Durch­führung sei das Ziel, Ausnahmen kämen nur zum Zuge, wenn es nicht anders gehe.

Gewerkschaften kritisieren

Arbeitnehmervertreter warnen vor ebendiesen Ausnahmen – und vor einem föderalen Flickenteppich.

Denn letztlich sind es die Kantone, die das Prüfungsverfahren festlegen. Es sei zentral, dass die Lernenden ihre Prüfungen vollständig absolvierten, sagt Adrian Wüthrich, Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes Travailsuisse. «Das gilt auch für den praktischen Teil. Damit erbringen sie ja gerade den Beweis, dass sie sowohl theoretisch als auch praktisch ausreichend gelernt haben, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können.»

Den Entscheid von Savoirsocial sieht Wüthrich deshalb kritisch. Es müsse der Eindruck verhindert werden, dass eine «Generation Corona» entstehe, deren Abschlüsse weniger wert seien. «Sonst bestrafen wir diese Jahrgänge doppelt: mit schwierigen Bedingungen während und schlechteren Aussichten nach der Lehre.»

Diskussionen mit den Kantonen und den Berufsverbänden sind derzeit im Gange. Gewerkschafter Wüth­rich: «Die Gefahr besteht, dass die praktischen Prüfungen in weiteren Berufen nicht oder nur stark eingeschränkt durchgeführt werden. Dagegen kämpfen wir, im Interesse der Lernenden.»

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